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Dank der Physiotherapie nach Covid wieder richtig atmen können

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Atemnot, intensive Müdigkeit, Schwindel, Kopfschmerzen, Brustschmerzen, Husten, usw.… Eine Infektion mit dem Coronavirus führt häufig zu langanhaltenden somatischen oder psychologischen Beschwerden. Mehrere Studien kommen zum Schluss, dass über 60 % der genesenen Personen noch 6 Monate nach der Infektion unter mindestens einem Symptom leiden. In diesem Sinn spricht man von Long Covid. Oft beeinträchtigen diese Symptome das Leben, so dass die Patientinnen und Patienten den Arzt aufsuchen. In den meisten Fällen werden sie jedoch kaum wahrgenommen. Dabei gibt es spezifische Therapien, insbesondere eine Atemtherapie, die manchmal mit einer pulmonalen Rehabilitation verknüpft ist. An wen richtet sich diese spezialisierte Versorgung? Wie verläuft die Behandlung? Erläuterungen von Martina Tacca, Physiotherapeutin, und Stéphanie Vaudan, medizinisch-therapeutische Leiterin der Abteilung Physiotherapie und Ergotherapie im Spital Wallis, Standort Martinach.

Eine pulmonale Rehabilitation zur Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit

Nach einer Infektion mit Covid-19 stellen die meisten Personen bei einer Anstrengung eine verminderte Leistung fest. Manchmal liegt das an einer pulmonalen Beeinträchtigung, aber meistens liegt eine körperliche Verschlechterung zugrunde.

«Bei einer bedeutenden Beeinträchtigung nach der Infektion kann eine pulmonale Rehabilitation indiziert sein, auch wenn keine pulmonale Schädigung vorliegt», erklärt Martina Tacca, zuständige Physiotherapeutin für das pulmonale Rehabilitationsprogramm am Standort Martinach. «Diese Therapie bezweckt mit Ausdauertraining (Laufband, Velo, usw.) eine kardiopulmonale Leistungssteigerung und einen Muskelaufbau. Die körperliche Leistungsfähigkeit soll verbessert werden, damit die Patientin oder der Patient weniger unter Atemnot leidet. Diese Therapie richtet sich insbesondere an Personen, die einen langen Spitalaufenthalt hinter sich haben und deren Muskelmasse während ihrer Erkrankung stark geschrumpft ist», erläutert die Physiotherapeutin.

Eine dysfunktionale Atmung nach Covid

«Heute sind wir der Ansicht, dass ein Teil der verbleibenden Post-Covid-Symptome auf einer Deregulierung der Atmung basiert, die wir dysfunktionale Atmung nennen», erklärt Stéphanie Vaudan, medizinisch-therapeutische Leiterin der Abteilung Physiotherapie und Ergotherapie im Spital Wallis, Standort Martinach.«Die Lunge hat sich gut erholt, aber die Art und Weise, wie sie gebraucht wird, ist beeinträchtigt. Daraus entwickeln sich verschiedene Symptome, insbesondere eine Atemnot bei Anstrengung oder in Ruhe. Oft drückt sich diese Störung in einer rascheren Atmung, der sogenannten Hyperventilation aus, die zu zahlreichen Symptomen führen kann:

  • Schwindel
  • Kribbeln
  • Verwirrtheit
  • Atemnot
  • häufiges Gähnen oder Seufzen
  • Kopfschmerzen
  • Verdauungsbeschwerden
  • usw.

Diese Symptome können sich stark auf die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten auswirken. Oft müssen sie ihre berufliche Tätigkeit unterbrechen», erklärt die Physiotherapeutin. «Erstaunlicherweise haben diese Patientinnen und Patientenden Eindruck, dass sie nicht genug atmen», betont die Spezialistin. «Paradoxerweise drückt sich ihr Symptom in einer Atemnot aus und sie haben das Gefühl, nicht genug Luft zu bekommen.»

Seit meiner Atemtherapie bin ich mit meiner Frau wieder glücklich! Vor meiner Atemtherapie hatte ich grosse Probleme mit meiner Frau, da ich ständig gähnte und seufzte. Sie hatte den Eindruck, dass ich mich in ihrer Gesellschaft langweilte. Das war natürlich nicht der Fall! Wie ich später entdeckt habe, handelte es sich in Wirklichkeit um typische Symptome des chronischen Hyperventilationssyndroms aufgrund meiner Covid-19-Infektion. Dank zehn Atemtherapie-Sitzungen kann ich wieder atmen wie vor der Erkrankung. Gähnen und Seufzen sind verschwunden und ich bin mit meiner Frau wieder glücklich!»
Jacques, Patient

Die Atemtherapie

«Die Atemtherapie in Zusammenhang mit der Hyperventilation ist eine besondere und ziemlich unbekannte Behandlungsform. Wir haben hier in Martinach die Chance, dass wir ein spezifisches ambulantes Programm entwickeln konnten. Dieses besteht aus Gruppenworkshops und Einzelsitzungen, die auf die Rehabilitation der Atmung konzentriert sind», erläutert Stéphanie Vaudan. «Für dieses Programm, das bereits vor der Pandemie existierte, besteht nun eine starke Nachfrage und wir erzielen sehr gute Ergebnisse. Es geht vor allem darum, wieder zu lernen, wie man richtig atmet, indem ein besseres Verständnis der Funktionsweise der Atmung gefördert wird. Wir schlagen einfache Übungen vor, mit denen die Atmung verlangsamt und gleichzeitig die Menge der inhalierten Luft reduziert wird», fügt die Expertin für Atemtherapie an.

Wie sieht der Nutzen für die Patientinnen und Patienten aus?

«Nach drei Monaten Physiotherapie können unsere Patientinnen und Patienten wieder ein normales Leben führen», erklärt Martina Tacca. «Personen, die ihr Sozialleben zum Beispiel wegen Atemnot beim Sprechen aufgeben mussten, können wieder damit beginnen, ihre Freunde zu treffen. Ein Beispiel einer sehr positiven Entwicklung ist ein Patient im Alter von rund vierzig Jahren, der unter Atemnot litt. Vor seiner Corona-Infektion war er sehr sportlich und dynamisch. Zu seiner ersten Physiotherapiesitzung kam er im Rollstuhl. Die Effizienz der Arbeit war recht spektakulär, denn nach nur drei Monaten Physiotherapie war er wieder in der Lage, zu rennen», lächelt die Physiotherapeutin.

Atmetherapie nach Covid: Erfahrungen eines Patienten

An wen kann man sich wenden?

Wenn Sie der Meinung sind, dass Sie unter Post-Covid-Symptomen leiden, sprechen Sie mit Ihrem Hausarzt darüber. Er wird sie an einen Pneumologen weiterverweisen, der Ihnen eine Verordnung für eine spezialisierte Physiotherapie ausstellen kann. Bei Fragen oder Zweifeln kontaktieren Sie das Sekretariat der Abteilung Pneumologie und die Post-Covid-Sprechstunde unter der Telefonnummer 027 603 95 73 oder per E-Mail über martigny.pneumologie(at)hopitalvs.ch. Sie können sich auch mit der Abteilung Physiotherapie unter 027 603 94 39 oder per E-Mail über chvr.secrmedical.mtt(at)hopitalvs.ch in Verbindung setzen.

Symposium
Am 3. Februar 2022 organisiert der medizinisch-therapeutische Bereich des Spitalzentrums des französischsprachigen Wallis (CHVR) ein Symposium für Fachpersonen in diesem Bereich zum Thema «Covid-19: von der kritischen Phase zur Fernrehabilitation». Zentrale Themen dieses Treffens werden die Nachweise der dysfunktionalen Atmung und des chronischen Hyperventilationssyndroms sein. Die bisher relativ unbekannten Rehabilitationstherapien werden in Zukunft bei der Behandlung des Long Covid eine unumgängliche therapeutische Option darstellen.

Nützliche Links:
Abteilung Physiotherapie des Spitalzentrums des französischsprachigen Wallis (CHVR)
Abteilung Pneumologie des CHVR
Post-Covid-Sprechstunde des Spital Wallis
Broschüre des medizinischen Symposiums vom 3. Februar 2022: «Post-Covid-Rehabilitation»
Broschüre “Das chronische Hyperventilationssyndrom
Einige Zahlen in The Lancet  



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Über den Autor/die Autorin

Francesca Genini-Ongaro

Collaboratrice spécialisée en communication