Porträt
Aufgrund der Pensionierung von Dr. Nicolas Schneider wurde die 44-jährige Fachärztin für operative Gynäkologie und gynäkologische Onkologie kürzlich zur Abteilungs-Chefärztin der Gynäkologie und Geburtshilfe im CHVR ernannt. Was beim ersten Treffen mit Prof. Daniela Huber sofort auffällt, sind ihr einnehmendes Lächeln und ihre Natürlichkeit – auch wenn ihre Augen etwas Müdigkeit verraten. «In diesem Beruf zählt man keine Stunden», sagt sie. «Aber manchmal hat man es hier einfacher als zuhause…»
Eine wahre Berufung
Die Mutter zweier Kleinkinder weiss, wovon sie spricht. Doch Berufs- und Familienleben scheint sie gut unter einen Hut zu kriegen. Obwohl «Beruf» hier eigentlich der falsche Ausdruck ist. Prof. Huber spricht vielmehr von einer «Berufung», einer Berufsleidenschaft, die sie zu Höchstleistungen antreibt – nicht nur als Ärztin, sondern auch als Mensch. Sie fühlt sich mit den Patientinnen, die sie operiert, oft sehr verbunden. Sich in andere hineinzuversetzen, ist für Prof. Huber etwas vom Wichtigsten.
Schlechte Diagnosen – gerade bei Krebs – sind immer eine schwierige Sache. Prof. Huber bewundert die Kraft ihrer Patientinnen: «Diese Frauen haben unglaublichen Mut und können ungeahnte Ressourcen mobilisieren! Oft denke ich: Davon könnten wir uns eine Scheibe abschneiden.» Auch wenn die Chirurgie vieles kann, betont Prof. Huber, wie wichtig es ist, für alles offen zu bleiben. «Manchmal muss man die Hoffnung woanders suchen. Wir dürfen nicht so tun, als wüssten wir alles – ganz einfach, weil wir eben nicht alles wissen.»
Eine einfache Familie in Rumänien
Prof. Daniela Huber vermittelt so gar nicht das Bild der kühlen, skalpellbesessenen Chirurgin. Sie wuchs im kommunistischen Rumänien auf. Sie erlebte die Revolution als Jugendliche hautnah mit und erinnert sich gut an das entbehrungsreiche Leben unter dem Ceaușescu-Regime. Der Vater war Lokführer, die Mutter Juristin. Letztere war es denn auch, die ihre Tochter zu einem Medizinstudium ermutigte. Mit einem Stipendium in der Tasche brach sie damals nach Belgien auf. 2006 führte sie ihre Passion für die Chirurgie an das Universitätsspital Genf. 2009 kam sie als Oberärztin zum Gesundheitsnetz Wallis, dem Vorläufer des heutigen Spital Wallis. Zehn Jahre später ist sie nun eine von 5 Chefärztinnen und 27 Chefärzten, die im CHVR eine Abteilung leiten. Zudem ist sie Titularprofessorin im Departement für Pädiatrie, Geburtshilfe und Gynäkologie an der Universität Genf.
«Meine Ernennung ist eine Chance, ein paar Dinge voranzutreiben.»
Man könnte meinen, dass bei der Übernahme eines solch verantwortungsvollen Postens in einer typischen Männerdomäne vielleicht auch ein paar weibliche Revanchegedanken eine Rolle spielen. Doch vielmehr als um irgendwelche feministischen Anliegen geht es Prof. Huber um die Sache selbst: «Meine Ernennung ist eine Chance, ein paar Dinge voranzutreiben.» Viel Zeit, sich auf ihren Lorbeeren auszuruhen, hat sie nicht, denn die Verantwortung dieses Postens bedingt, stets mit der Entwicklung Schritt zu halten. Die Ernennung zur Chefärztin sieht Prof. Huber nicht als den Zenit des Erfolgs, sondern als den Beginn eines neuen wichtigen Kapitels, das sie zusammen mit ihrem Team und allen anderen Beteiligten in Angriff nehmen will. Trotz einer 3-jährigen Master-Weiterbildung in Gesundheitsinstitutionsmanagement «fängt man immer wieder neu an. Man wird nicht einfach als Chefärztin geboren. Ich versuche, das Maximum aus meinen Kapazitäten herauszuholen und verfolge die Entwicklungen aufmerksam mit. Es ist ein lebenslanges Lernen», erklärt sie.
Eine lange Liste von Projekten
Möglichst konfliktfreier Führungsstil, stets ein offenes Ohr, immer zu guten Kompromissen bereit – Prof. Huber scheint sehr «schweizerisch» zu sein. «Immer weitergehen, jedoch langsam und gemeinsam statt schnell und alleine», bringt sie es auf den Punkt. Und wohin soll der Weg in den nächsten Jahren führen? Die Liste ist lang. Hier ein paar der wichtigsten Punkte: Zertifizierung des Brustzentrums (wohl noch im laufenden Jahr), neue Angebote für Jugendliche, Spezial-Sprechstunden zu weiblicher Genitalverstümmelung und Endometriose, Schwangerschafts- und Elternberatung, Weiterentwicklung der bestehenden Sprechstunden (Kinderwunsch, Sexologie, Risikoschwangerschaften), Ausbau der Dienstleistungen der Hebammen (Akupunktur, Säuglingsmassage), Intensivierung der Kooperationen mit den Universitätsspitälern Bern, Genf und Lausanne und mit den freipraktizierenden Gynäkologen und Allgemeinärzten im Wallis und so weiter und so fort. An Projekten mangelt es also wahrlich nicht.
«Irgendetwas motiviert uns, jeden Tag zurückzukommen. »
In einer komplexen Institution wie dem Spital Wallis braucht es Ausdauer bei der Umsetzung. Damit ein Projekt in die Gänge kommt, sind zahlreiche Verhandlungen und viel Koordination und Überzeugungsarbeit notwendig. Doch in dieser Langsamkeit liegt auch eine gewisse Kraft. Verschiedenste Fachleute setzen sich intensiv mit einem Thema auseinander. Alle bringen ihr Know-how mit ein und der Patient steht stets im Zentrum der Überlegungen. Diese interdisziplinäre Vorgehensweise im Spital gefällt Prof. Huber. «Ich schätze Teamwork sehr, sei es das enge Zusammenarbeiten mit den Gefäss-, Viszeral- und Neurochirurgen oder die Vertrautheit mit den Anästhesisten. Es ist immer wieder bereichernd, wenn alle gemeinsam auf ein Ziel hinarbeiten: die bestmögliche Patientenversorgung. Jeder und jede trägt etwas zum Ganzen bei. Wir ergänzen uns gegenseitig.»
Doch was Prof. Huber am meisten bei der Spitalarbeit motiviert, ist die Authentizität und das Engagement aller Mitarbeitenden. «Wahrscheinlich würden wir in einer Privatklinik besser verdienen als hier, doch irgendetwas motiviert uns, jeden Tag zurückzukommen. Zu wissen, dass wir zu etwas Gutem beigetragen haben, macht uns glücklich.» Ein öffentliches Spital steht allen offen, unabhängig von sozialem Status, Rasse oder sexueller Orientierung. «Hier findet das ungeschminkte Leben statt. Jeder ist, wie er ist, und jeder hat den andern anzunehmen, wie er ist. Das ist Humanität in ihrer reinsten Form und animiert alle, das Beste aus sich herauszuholen. Zu wissen, dass wir zu etwas Gutem beigetragen haben, macht uns glücklich. Es wirkt wie eine Droge, die einen dazu drängt, es wieder und wieder zu tun», beschreibt Prof. Huber ihre Motivation.
“Mein Zuhause ist hier, im Wallis.”
«Agglomerationen sind nicht mein Ding, ich habe es lieber ruhig und übersichtlich», sagt Prof. Huber. Als Naturliebhaberin kommt sie im Wallis voll auf ihre Kosten. «Ich gehe sehr gerne wandern, und meine Kinder sind völlig skiverrückt.» Und was ist mit der Heimat Rumänien? «Mir fehlen nur meine Eltern», sagt sie. Prof. Daniela Huber fühlt sich im Wallis zuhause. «Zuhause ist dort, wo ich mit meinen Liebsten, meinem Mann und meinen Kindern zusammen sein kann und den Eindruck habe, den andern etwas geben zu können», fasst sie mit einem vielsagenden Lächeln zusammen.