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Wenn die Angst lebensbestimmend wird

Angst
In unserer Gesellschaft werden wir schon früh auf Leistung getrimmt, egal ob in der Schule, im Berufsleben oder in der Freizeit. Nicht alle können damit gut umgehen. Viele bekommen es mit der Angst zu tun. Wir alle kennen Momente der Angst. Dabei muss es sich nicht zwangsläufig um eine Angststörung handeln. Oder wie es Dr. Bdeir ausdrückt: «Angst ist für den Geist das, was der Schmerz für den Körper ist: ein Alarmsignal.» Wie soll man damit umgehen? Wann sollte man einen Arzt konsultieren?  Dr. Ibanez Tarek Bdeir, Leitender Arzt im Kompetenzzentrum für Psychiatrie und Psychotherapie des Spitalzentrums des französischsprachigen Wallis gibt Auskunft.

«Gesunde» Angst


Dr. Ibanez Tarek Bdeir, Leitender Arzt im Kompetenzzentrum für Psychiatrie und Psychotherapie des Spitalzentrums des französischsprachigen Wallis

Prüfungsangst – wer kennt das nicht? Oder das flaue Gefühl im Magen vor dem ersten Date? Auch wenn Angst teils heftige körperliche und emotionale Reaktionen auslösen kann, ist sie völlig normal, wenn wir uns mit Situationen konfrontiert sehen, die sich unserer Kontrolle entziehen. Angst vor einer Gefahr zu haben ist ein uralter Mechanismus, der den Frühmenschen half, zu überleben. Die «gesunde» Angst zeichnet sich dadurch aus, dass sie zeitlich begrenzt und auf bestimmte Umstände zurückzuführen ist. Sobald die «Stressquelle» verschwindet, verschwindet auch die Angst.

«Krankhafte» Angst

Angst ist dann krankhaft, wenn sie unverhältnismässig ist und andauernd auftritt. Man spricht in solchen Fällen von Angststörungen. Diese können unterschiedliche Formen annehmen:

  • Generalisierte Angststörung
  • Phobien (Arachnophobie, Agoraphobie usw.)
  • Zwangsstörungen
  • Panikattacken

Für die Betroffenen können Angststörungen sehr einschneidend sein. «In schweren Fällen können die Betroffenen gar nicht mehr richtig abschalten oder haben richtiggehend Todesangst», so Dr. Bdeir. Angststörungen treten häufig mit weiteren psychischen Beschwerden auf (Suchtverhalten, Depressionen usw.): «Angststörungen sind oft ein komplexes Gesamtpaket.»

Körperliche Symptome

Manchmal zeigt sich die Angst durch körperliche Symptome, z.B.: 

  • Reizhusten
  • Herzklopfen
  • Schwitzen
  • Hyperventilation
  • Kopfschmerzen
  • Übelkeit
  • Hoher Blutdruck
  • Schwindel
  • Trockener Mund
  • Brustschmerzen
  • Atemnot
  • Durchfall

Bei starken Brustschmerzen und Übelkeit suchen die meisten unverzüglich einen Arzt auf. «Rein äusserlich kann eine Panikattacke durchaus einem Infarkt oder einem Lungenproblem ähneln. Kann man aufgrund der medizinischen Abklärung körperliche Ursachen ausschliessen, handelt es sich vielfach um ein psychologisches Signal, das man ernst nehmen muss», erklärt der Psychiater.

Das Leiden wird oft nicht ernst genommen

«Menschen mit Angststörungen werden von ihrem Umfeld oft nicht ernst genommen oder stigmatisiert», sagt Dr. Bdeir. Wenn sich jemand wegen einer Zwangsstörung 50 Mal die Hände wäscht, nachdem er auf der Toilette war, stösst dies bei den Kolleginnen und Kollegen nur selten auf Verständnis. Man muss aber wissen, dass der Betroffene dies nicht freiwillig macht, sondern er «kann einfach nicht anders». 

Besonders betroffen sind ältere Menschen. «Bei Senioren bemerken die Angehörigen oder der Hausarzt nicht immer direkt, dass eine Angststörung vorliegt», so Dr. Bdeir. Das Lebensende kann sehr angsteinflössend sein, weshalb eine psychologische Unterstützung manchmal sinnvoll ist. 

Wann sollte man einen Arzt aufsuchen?

Es gibt keine allgemeine Regel, Dr. Bdeir hat aber beobachtet, dass die meisten Personen «erst dann kommen, wenn die Angststörung unerträglich wird.» Bei Übermüdung, Reizbarkeit und Schlafstörungen sollte man nicht zögern, den Hausarzt oder einen Psychiater aufzusuchen. 

Die Behandlung

Bei Verdacht auf eine Angststörung sollte man zunächst jegliche körperliche Ursache ausschliessen. Der Psychiater lässt typischerweise zuerst die Schilddrüsen- Blutdruck- und Herzwerte überprüfen, bevor er eine Diagnose stellt.

«Bei diagnostizierten Angststörungen kann man mit der kognitiven Verhaltenstherapie oft gute Ergebnisse erzielen.» Die Psychotherapie kann kurz- und mittelfristig mit einer medikamentösen Therapie kombiniert werden. Psychopharmaka alleine lösen das Problem jedoch nicht. «Bei der Bewältigung von Angststörungen hilft es, sich der eigenen Persönlichkeit und Vergangenheit bewusst zu werden», unterstreicht Dr. Bdeir.  

Neben (Selbst)hypnose und Achtsamkeitstraining können auch körperliche Übungen helfen: «Psychomotorik, Yoga und Sport im Allgemeinen sind sehr nützlich», so Dr. Bdeir.

Nützliche Links:

Psychiatrie und Psychotherapie im Spital Wallis

Kompetenzzentrum für Psychiatrie und Psychotherapie (CCPP)

Psy-Gesundheit

Über den Autor/die Autorin

Francesca Genini-Ongaro

Collaboratrice spécialisée en communication

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