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Tiergestützte Therapie im Spital Siders

Seit Jahrhunderten bestehen zwischen Mensch und Tier enge und komplexe Beziehungen. Tiere sind nicht nur einfache Begleiter. Auch im Bereich der psychischen Gesundheit, insbesondere im Rahmen der tiergestützten Therapie, spielen sie eine wichtige Rolle. Seit Januar 2024 bietet die Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie für Kinder und Jugendliche des Spitalzentrums des französischsprachigen Wallis (CHVR) Kindern und Jugendlichen tiergestützte Therapiesitzungen an. Wir haben uns mit den zuständigen Pflegefachfrauen Kathleen BagnoudAmandine Emery und Jessica Vergères über dieses neue Angebot unterhalten.  

Die tiergestützte Therapie ist ein therapeutischer Ansatz, der auf den Interaktionen zwischen Mensch und Tier basiert. Der Ursprung liegt in der Antike. Damals wurden die Tiere für ihre heilenden Fähigkeiten verehrt. Im Laufe der Zeit entwickelte sich die tiergestützte Therapie zu einer anerkannten Disziplin, deren Nutzen für die psychische und emotionale Gesundheit wissenschaftlich belegt ist.

Eine Idee, entstanden aus der Leidenschaft von drei Pflegefachfrauen
Amandine Emery, Pflegefachfrau und Tiertherapeutin

Die drei begeisterten Pflegefachfrauen sind von den positiven Auswirkungen des Kontakts mit Tieren auf die psychische Gesundheit überzeugt. Dank ihnen können die jungen Patienten der Abteilung Kinder- und Jugendpsychiatrie des Spitals Siders heute neben anderen therapeutischen Ansätzen auch von der tiergestützten Therapie profitieren. Amandine ist seit einigen Jahren in der Stallung Aéno in Arbaz tätig und wollte diese Praxis auch in ihre Arbeit als Pflegefachfrau integrieren. «Nach verschiedenen Gesprächen mit meinen Kolleginnen Jessica und Kathleen kamen wir auf die Idee, diesen therapeutischen Ansatz auch unseren Patienten anzubieten».

Ani’mobile, ein Pilotprojekt
Jessica Vergères, Pflegefachfrau und Tiertherapeutin

Das Projekt, das in der Abteilung Kinder- und Jugendpsychiatrie des CHVR von Amandine Emery, Jessica Vergères und Kathleen Bagnoud mit Begeisterung vorgeschlagen wurde, ist im Sommer 2023 umgesetzt worden. Es hat sich rasch zu einem strukturierten Pilotprojekt mit der Bezeichnung «Ani’mobile» entwickelt. «Wir haben diesen Namen gewählt, weil darin die Wörter «animaux» und «mobile» vorkommen. Schon das Verlassen des Spitals, um den Hund bei einem Spaziergang zu begleiten, ermöglicht den Jugendlichen, an etwas anderes zu denken», erzählt Jessica. «Längerfristig ist unser Ziel, dass alle Patienten des Pools Psychiatrie und Psychotherapie von diesem Ansatz profitieren können». Für Amandine stellt das Eintauchen in eine unversehrte Natur die Gelegenheit dar, den Alltag hinter sich zu lassen. «Unsere tiergestützten Therapiesitzungen finden in der Stallung Aéno in Arbaz, einem wunderbaren Ort mitten in der Natur, statt. Unsere Patienten sind von diesem Arbeitsrahmen immer begeistert. Sie fühlen sich wie in einer Blase, in der die Zeit keine Rolle spielt», fügt sie an.

Eine Kommunikation mit dem Tier und durch das Tier, um das Vertrauen zu stärken
Kathleen Bagnoud, Pflegefachfrau und Tiertherapeutin

Beim Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung zu den Patienten spielt das Tier eine wesentliche Rolle. «Für den Jugendlichen ist es viel einfacher, über oder durch das Tier zu sprechen, als sich direkt mit der Gesundheitsfachperson zu unterhalten», erläutert Kathleen. «Manchmal vertrauen sich unsere Patienten nicht der Gesundheitsfachperson, sondern dem Hund an. Das ermöglicht uns, mit ihren Emotionen zu arbeiten.» Diese Vermittlung durch das Tier schafft einen sicheren Raum, in dem sich die Jugendlichen weniger verletzbar fühlen und sich freier ausdrücken können.

Eine beruhigende Erfahrung, die Angstzustände reduziert

Die Jugendlichen erzählen oft von einer Reduktion ihrer Angstzustände und ihrer Grübeleien dank dieser Interaktionen. «Die Interaktion mit dem Hund oder dem Pferd ist viel weniger konfliktbeladen als ein Gespräch mit einem Erwachsenen und ermöglicht auch, an etwas anderes zu denken. Die Tiere sind urteilsfrei. Der Jugendliche fühlt sich freier und kann sagen, was er denkt», betont Kathleen.

Hunde, Ponys und Pferde für alle Bedürfnisse

Bei der therapeutischen Betreuung der jungen Patienten spielt die Auswahl des Tieres eine entscheidende Rolle. Anhand der Situation, der spezifischen Vorlieben und der Therapieziele kann ein Hund geeigneter sein als ein anderer oder es kommt eher ein Pony oder ein Pferd zum Einsatz. «Der Charakter und die Grösse der Tiere sind wichtig, weil sie dem Jugendlichen, den wir betreuen, sowie den festgelegten Zielen entsprechen müssen», erklärt Jessica. Gewisse Patienten würden sich zum Beispiel mit einem grossen und energischen Hund nicht wohlfühlen. «Wenn man am Selbstwertgefühl arbeitet, ist Chubby ein besonders interessanter Partner», fügt die Pflegefachfrau an. «Er hat einen sozialen und verspielten Charakter und sucht ständig Kontakt. Das zwingt den Jugendlichen dazu, klare Grenzen zu setzen und selbstbewusst und direkt mit ihm zu kommunizieren». Für Amandine stellt die Vielfalt der Ansätze in der tiergestützten Therapie einen grossen Reichtum dar. «Die Arbeit mit verschiedenen Tieren und der Austausch unserer Erfahrungen bereichern sowohl unsere Praxis in tiergestützter Therapie als auch unseren Beruf als Pflegefachpersonen.»

Wertvolle Erfahrungen für den Alltag

Die therapeutische Arbeit ist rund um klare Ziele und eine Betreuung über mehrere Wochen strukturiert. Nach jeder Sitzung nimmt der Jugendliche eine Selbstbeurteilung seiner Empfindungen vor. Zudem identifiziert er seine Schwierigkeiten, aber auch alles, was ihm gutgetan hat. «Bei diesen Beurteilungen erstellen wir eine Zusammenfassung der Erfahrungen, um dem Jugendlichen dabei zu helfen, sich seiner Fortschritte bewusst zu werden und diese in seinen Alltag zu übertragen», erläutert Kathleen.

Die tiergestützte Therapie in der interdisziplinären Patientenversorgung

Die tiergestützte Therapie lässt sich perfekt in die Versorgung integrieren, die von der Abteilung Kinder- und Jugendpsychiatrie des Pools Psychiatrie und Psychotherapie des CHVR bereits angeboten wird. «In unseren interdisziplinären Sitzungen wird jede Situation im Team besprochen», präzisiert Amandine. «Wir bringen unsere Ansicht in Bezug auf die tiergestützte Therapie ein und teilen die beobachteten Fortschritte mit. Manchmal bitten wir in der Psychomotorik oder bei medizinisch-pflegerischen Gesprächen auch andere Kollegen um die Weiterführung der begonnenen Arbeit», fügt Kathleen an. «Die angestrebten Ziele, die Fortschritte und die Betreuung werden im Team aufgegriffen und diskutiert. Das ermöglicht eine kohärente und umfassende Versorgung».

Positive Rückmeldungen von Jugendlichen und Eltern

Die positiven Rückmeldungen von Jugendlichen und Eltern bilden für das Team der tiergestützten Therapie eine ständige Inspiration und Motivation. «Wenn wir sehen, wie die Jugendlichen begeistert mit den Tieren interagieren, wenn wir sehen, wie sie sich öffnen, wie sie ihr Lächeln und ihr Vertrauen wiedergewinnen, gibt uns das die nötige Kraft und Motivation für die Weiterentwicklung dieses Projekts», erklärt Kathleen. Die Eltern sind oft von den Fortschritten ihrer Kinder berührt und suchen eine Lösung, um von diesem Ansatz auch ausserhalb des Spitals profitieren zu können. Für Jessica ist die Arbeit mit den Tieren in diesem therapeutischen Ansatz viel mehr als nur ein Auftrag: «Mit dieser tiergestützten Therapie, die wir in unserer Abteilung zusätzlich zur traditionellen Patientenversorgung anbieten können, ist ein Traum in Erfüllung gegangen».


Flyer Zoothérapie à l’Hôpital du Valais
Hôpital du Valais – Pédopsychiatrie

Über den Autor/die Autorin

Francesca Genini-Ongaro

Collaboratrice spécialisée en communication