Miteinander an einem gemeinsamen Ziel arbeiten und die Hindernisse in Zusammenhang mit unseren Etiketten, unseren sozialen Rollen und unserem Umfeld überwinden. Jimmy Zimmermann, Pflegefachmann und Stationsleiter im Pool Psychiatrie und Psychotherapie des Spitalzentrums des französischsprachigen Wallis, und Pierre Fankhauser, Schriftsteller und Übersetzer in Residenz im Kulturquartier von Malévoz, entwickeln gemeinsam ein partizipatives Radio, bei dem die Patientinnen und Patienten sowie die Gesundheitsfachpersonen des Psychiatriespitals aktiv mitarbeiten. Das Ziel des Projekts? «Bestehende Mauern durch Brücken ersetzen, um die psychischen Erkrankungen zu entstigmatisieren», antwortet Pierre Fankhauser. «Mit einer körperlichen oder psychischen Erkrankung kann man leben und etwas entwickeln», fügt Jimmy Zimmermann hinzu.
Der Traum eines Pflegefachmanns: die betroffenen Personen rund um ein gemeinsames Projekt vereinen
Seit über fünf Jahren befasst sich Jimmy Zimmermann, Pflegefachmann und Stationsleiter im Psychiatriespital von Malévoz mit diesem Projekt: «Im Jahr 2018 begann ich, über das Projekt eines partizipativen Radios für Patientinnen/Patienten und Gesundheitsfachpersonen nachzudenken.
Mit dem Projekt wird ein offener und kreativer Raum geschaffen, um die psychischen Erkrankungen zu entstigmatisieren. Gleichzeitig sollen spitalinterne und spitalexterne Akteure rund um dieses intensive soziale, gesellschaftliche und kulturelle Leben vereint werden, das aus Malévoz einen so speziellen Ort macht», erklärt der Pflegefachmann. «Ich träume von einem freien und allen zugänglichen Forum, von einem Raum, in dem über die Erkrankung, die Genesung, aber auch über eine Leidenschaft, eine gute Nachricht, eine künstlerische Tätigkeit oder einfach nur über eine Lektüre gesprochen werden kann», erzählt der Pflegefachmann.
Vom Traum zur Wirklichkeit
Jimmy Zimmermann liess sich vom ersten partizipativen Radio im psychiatrischen Bereich, La Colifata, inspirieren, das 1991 in Buenos Aires gegründet wurde und weltweit Nachahmer fand (z.B. Radio Pinpon in Frankreich, Psicoradio in Italien, usw.). Mit der Ankunft des Waadtländer Schriftstellers und Übersetzers Pierre Fankhauser im Kulturquartier von Malévoz kam es zufällig zur Verbindung zwischen Argentinien und Malévoz und gleichzeitig wurde aus dem Traum eine Realität. Der Schriftsteller hatte nämlich sieben Jahre in Buenos Aires gelebt und kannte das Radio Colifata aus nächster Nähe. Während drei Jahren war er jeden Samstagvormittag beim Radio, um Material für einen Roman zu sammeln.
«Als ich vernahm, dass die Möglichkeit einer Künstlerresidenz im Kulturquartiert von Malévoz besteht, zögerte ich nicht, mein Projekt vorzustellen: mich vertieft mit dem Schreiben meines Romans befassen können und als Gegenleistung Radio-Workshops für die Patientinnen und Patienten des Psychiatriespitals durchführen. Da ich mit dem Radio La Colifata Erfahrung in diesem Bereich sammelt konnte, wurde mir Jimmy Zimmermann vorgestellt, der meine Begeisterung für dieses Projekt teilte», erläutert der Schriftsteller.
Une collaEine einmalige Zusammenarbeit zwischen dem Kulturquartier und den Psychiatriespitalboration unique entre Quartier Culturel et hôpital psychiatrique
«Während zwei Monaten nahm ich mit Begeisterung an den von Pierre Fankhauser jeweils am Donnerstagnachmittag angebotenen Radio-Workshops teil, die ich auch mitmoderieren durfte. Die Patientinnen und Patienten liessen sich auf das Experiment ein und konnten sich in einem Raum öffnen, der einen Austausch auf Augenhöhe, unabhängig von den Etiketten Therapeut/in und Patient/in ermöglichte», erklärt Jimmy Zimmermann begeistert. Zwei Monate, geprägt von einem vertieften Austausch und einer einmaligen Zusammenarbeit zwischen dem Kulturquartier von Malévoz und dem Psychiatriespital. «Diese unglaubliche Synergie zwischen einem Künstler in Residenz, Pierre Fankhauser, und einem Pflegeverantwortlichen des Psychiatriepools, Jimmy Zimmermann, war ausserordentlich bereichernd», erzählt Iris Aeschlimann, soziokulturelle Animatorin im Kulturquartier von Malévoz. «Diese Erfahrung verleiht unserem Auftrag und der Anwesenheit des Kulturquartiers im Zentrum des Psychiatriespitals zusätzliche Bedeutung».
Radio-Workshops, um sich gegenseitig besser zuhörenzu können
Mehr als 11’000 km trennen Buenos Aires von der Schweiz, aber die menschliche Seele vereint uns über die geografischen Grenzen hinaus. «Ich habe hier ähnliche Erfahrungsberichte wie in Argentinien, dieselben Persönlichkeiten, aber mit einem Walliser Akzent angetroffen», sagt Pierre Fankhauser lächelnd. «Meiner Ansicht nach ist das Wichtigste, einen Raum zu schaffen, in dem die Qualität des Zuhörens und des gegenseitigen Vertrauens einen offenen Ausdruck ermöglicht. Mir liegt diese Wahrheit ohne Filter, die in anderen sozialen Zusammenhängen nur selten anzutreffen ist, sehr am Herzen. Was wir hier in Malévoz erlebten, erinnert mich an das «carpe diem» in seiner einfachsten Ausdrucksform: Präsenz, Zuhörbereitschaft und Austausch», fügt der Schriftsteller hinzu.
Ein vielversprechendes Projekt
Seit dem Monat März sind die von Pierre Fankhauser und Jimmy Zimmermann initiierten Radio-Workshops zu einem unumgänglichen Treffen des Kulturquartiers von Malévoz geworden. Zweimal pro Monat können alle interessierten Personen in einem provisorisch eingerichteten Studio in einer Loge des Théâtre du Raccot an diesem Austausch rund um ein ausgewähltes Thema aktiv oder passiv teilnehmen. «Es handelt sich um eine Art Pilotprojekt, das uns ermöglicht, diejenigen Personen zusammenzubringen, die an der Weiterentwicklung und Konsolidierung des Projekts interessiert sind. Wir haben die Chance, auf die Unterstützung von Radiofachleuten wie Dominique Stalder, ehemalige Tontechnikerin bei der RTS und Vorstandsmitglied des Vereins Malévoz, Arts, Culture et Patrimoine, zählen zu können» freut sich Jimmy Zimmermann. An Ideen fehlt es nicht. Für die Sendungen gibt es bereits mögliche Namen: «Die Stimme auf der anderen Seite», um anstelle der bestehenden Mauern Brücken zu bauen, «Kunst bei Ihnen», um Künstlerinnen und Künstlern zu begegnen, die in Malévoz zu Besuch sind, oder «Das Journal der guten Nachrichten».
Der Nomadenpavillon
Das gesamte technische Material befindet sich in einem Rolldeck, so dass das Radio mobil ist. Beim traditionellen Fest der heiligen Dympna am 15. Mai 2024 ist das Rolldeck auf den Namen “Nomadenpavillon” getauft worden. Das Radio kann sich so frei von Pavillon zu Pavillon in den verschiedenen Abteilungen des Spitals Malévoz bewegen. «Das Wort “Pavillon” bezieht sich einerseits auf die verschiedenen Orte des Psychiatriespitals und andererseits auf den Trichter verschiedener Blasinstrumente, auf das Grammophon und auf die Ohrmuschel», erklärt Iris Aeschlimann.
Die nächsten Etappen
Bis Ende 2024 wird sich Radio Malévoz alle zwei Wochen am Donnerstagnachmittag den Workshops widmen. Die abwechselnd von Pierre Fankhauser und Jimmy Zimmerman moderierten Workshops werden nach und nach auf der Website des Kulturquartiers von Malévoz aufgeschaltet.
Das partizipative Internetradio Pavillon Nomade wurde vor etwas mehr als einem Jahr von Jimmy Zimmermann und Pierre Fankhauser im Kulturquartier von Malévoz gegründet.
Jetzt wird es immer am Donnerstagnachmittag live ausgestrahlt.
Es ist ein grosser Schritt hin zur Verwirklichung einer gemeinsamen Vision: authentische Beziehungen knüpfen und die psychischen Erkrankungen entstigmatisieren. Diese Ausstrahlungen fördern eine direkte Kommunikation in Echtzeit und stärken so den Einsatz und die Inklusion der Teilnehmenden innerhalb und ausserhalb des Psychiatriespitals. Der Übergang zu Livesendungen stellt für Pavillon Nomade ein neues Kapitel dar. Der Sender will mit einer gemeinsamen Vision zum gegenseitigen Verständnis beitragen und denjenigen Personen eine Stimme verleihen, die oft ausgegrenzt werden.
Sie können die Livesendungen jeweils am Donnerstag von 15.30 bis 16.30 Uhr über eine einfache Internetverbindung auf www.pavillonnomade.ch hören.
Die Sendungen können auch zeitversetzt angehört werden.
Zusätzliche Informationen :
Quartier culturel de Malévoz
A vrai dire – de Pierre Fankhauser