Das psychische Leiden bildet Bestandteil des menschlichen Lebens. Wenn es jedoch überwiegt und das Leben unmöglich macht, kann eine professionelle Unterstützung nützlich oder sogar notwendig sein. Das Psychiatriespital von Malévoz ist ein Zufluchtsort für alle, die in ihrem Genesungsprozess Begleitung benötigen. Aber wer sind diese Gesundheitsfachpersonen, welche die Erkrankten betreuen? Wie sehen sie ihren Beruf und ihre Welt? Wir haben uns mit Murielle Borgeaud getroffen, die seit 25 Jahren im Psychiatriespital von Malévoz arbeitet.
Weshalb haben Sie die Psychiatrie gewählt?
Vor rund 30 Jahren absolvierte ich mehrere Beobachtungspraktika, eines davon hier in Malévoz. Was mich am meisten beeindruckte, war die starke Beziehung zwischen den Pflegefachpersonen und ihren Patientinnen und Patienten. Das Vertrauen ist vollkommen und absolut. Hier fallen die Masken, man ist, wer man ist, mit seinen Stärken und Schwächen. Mit dieser ersten Erfahrung im Alter von 20 Jahren wurde mir bewusst, was ich in meinem Leben tun wollte: den leidenden Personen helfen, damit es ihnen besser geht.
Wie erlernt man den Beruf einer klinischen Pflegefachperson in Psychiatrie?
Meinen Beruf erlernte ich, indem ich die Pflegefachpersonen beobachtete, die ich bewunderte. Das Diplom als Pflegefachperson ist eine Art Führerschein, aber man erlernt den Beruf vor Ort. Erfahrungsgemäss benötigt man rund zwei Jahre, um seine Berufsidentität als Gesundheitsfachperson aufzubauen.
Wie würden Sie die Arbeit als Pflegefachperson beschreiben, die Sie seit 25 Jahren ausüben?
Die Begegnung steht im Zentrum unserer Arbeit. Das wichtigste Element im Therapieverlauf der Patientinnen und Patienten ist ihre Beziehung zu den Gesundheitsfachpersonen. Ich sage den jungen Fachleuten oft, dass das «Sein» wichtiger ist als das «Tun». Man muss den Patientinnen und Patienten zur Seite stehen, ihnen zuhören und authentisch sein. In der Psychiatrie können wir uns nicht auf ein striktes Protokoll abstützen wie in der somatischen Pflege. In unserem Bereich sind die Arbeitstechniken zweitrangig.
Worin liegt das Geheimnis einer erfolgreichen Begegnung?
Es gibt kein magisches Rezept, denn der Verlauf einer Begegnung hängt von mehreren Faktoren ab. Die Begegnung wird im Übrigen nicht nur von uns Gesundheitsfachpersonen beeinflusst, sondern auch von der anderen Person, da wir einen Teil der Subjektivität nie erfassen können. Was wir hingegen beherrschen, ist unser Verhalten gegenüber den Patientinnen und Patienten. Wir können uns dazu entscheiden, ihnen gegenüber authentisch, echt und kongruent zu sein.
Haben Sie eine Art «Werkzeugkasten», der Sie bei der täglichen Arbeit begleitet?
Wir verfügen über einige Werkzeuge, die aber ständig an die Situation angepasst werden müssen. Um eine Person erreichen zu können, muss man ihre Sprache sprechen und sich für die Dinge interessieren, die sie betreffen. Man spricht mit einem Jugendlichen, der vom Rap begeistert ist, nicht gleich wie mit einem älteren Menschen, der fünfzehn Enkelkinder hat (lächelt). Das zweite in unserem Beruf absolut notwendige Werkzeug ist der Humor! Er hilft uns bei vielen Situationen, die sonst unerträglich wären. Dann ist da noch das wichtigste Werkzeug: die Erfahrung. Deshalb ist es in unserem Beruf wichtig durchzuhalten, auch wenn er manchmal sehr anspruchsvoll ist.
Sind Sie von Ihren Patientinnen und Patienten auch schon kritisiert worden?
Er kommt vor, dass meine Patientinnen und Patienten mir vorwerfen, «böse» zu sein (lächelt). Dann antworte ich ihnen, dass ich nicht da bin, um nett zu sein, sondern um ihnen bei ihrem Fortschritt zu helfen. Ich sage ihnen nämlich nicht unbedingt das, was sie gerne hören möchten. Ich sage ihnen das, was sie aufgrund meiner Erfahrung hören müssen, um auf ihrem Weg der Genesung vorwärtszukommen.
Welcher Dank hat Sie am meisten berührt?
Ich erinnere mich an die Mutter eines Patienten, der durch die Hospitalisation seines Sohnes völlig durcheinandergeriet. Wir integrierten ihn in alle therapeutischen Prozesse, einschliesslich der Vorbereitung seiner Patientenverfügung. Trotz dieser extrem schwierigen Situation beruhigte ihn das sehr. Eines Tages schrieb mir seine Mutter einen Dankesbrief und fügte an, dass ich der Schutzengel ihres Sohnes gewesen sei …!
Wie geht man mit dem Risiko eines Suizids um?
Die Philosophie des Hauses besteht darin, die Patientinnen und Patienten mit dem Leben in Verbindung zu bringen und ihnen zu vertrauen. Sie können frei entscheiden, in die Werkstätten zu gehen, mit den anderen zu essen, zu spazieren, … Wir sind der Ansicht, dass eine Isolation ihre Angst nur verstärken würde. Leider bleibt immer ein Restrisiko bestehen. Der Tod einiger unserer Patientinnen und Patienten ist der schwierigste Aspekt meiner Arbeit. Wenn eine Patientin oder ein Patient an einem Krebs im Endstadion leidet, ist der Tod annehmbar und sozial akzeptiert. Der Tod in der Psychiatrie wird nie toleriert, er ist absolut unannehmbar, obwohl seine Ursache oft in einem extremen Leiden liegt
Was haben Sie in Ihrer 25-jährigen Arbeit mit Ihren Patientinnen und Patienten gelernt?
Mein Beruf hat mir ermöglicht zu reifen und mich durch die Begegnung mit anderen Menschen besser kennenzulernen. Es handelt sich um eine ständige Herausforderung. Manchmal verläuft alles ausgezeichnet, manchmal muss man jedoch wieder von vorne anfangen und einen anderen Weg einschlagen. In unserem Beruf kommt nie Langeweile auf!
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Gang nit: Walliser Verein für Suizidpreväntion 027 203 08 08
Pro Juventute (Zuhörbereitschaft und Ratschläge für Jugendliche): 147
Die Dargebotene Hand (Zuhörbereitschaft und Ratschläge für Erwachsene): 143
Netzwerk Krise und Suizid Wallis
Netzwerk Psychische Gesundheit Schweiz
Sanitätsnotruf: 144