Jedes Jahr bietet der Welt-Frühgeborenen-Tag vom 17. November eine wertvolle Gelegenheit, dieses unbekannte, für viele Familien jedoch entscheidende Fachgebiet kennenzulernen. Wenn sie eine Geburtsabteilung auswählen, stellen sich nur wenige künftige Eltern die Frage, ob es auch eine Abteilung Neonatologie gibt, die bei Komplikationen eingreifen kann. Dabei ist die Neonatologie eine eigene Welt voll von Sanftheit, Know-how und Resilienz, die den Kleinsten und den Verletzlichsten gewidmet ist.
Was ist die Neonatologie?
Die Abteilung Neonatologie kümmert sich um die Frühgeborenen oder Babys, die direkt nach der Geburt eine spezifische medizinische Versorgung benötigen. Die Frühgeburt ist durch die Geburt vor der 37. Schwangerschaftswoche definiert. Die Abteilung Neonatologie des Spitals Sitten nimmt Babys ab der 32. Woche (im Notfall manchmal auch früher) auf, bevor sie bei Bedarf in die Universitätszentren transferiert werden. Hier werden jedes Jahr rund 160 Kinder betreut. Die Abteilung kann gleichzeitig bis zu sieben Babys versorgen. Das spezialisierte Team beherrscht die Reanimation bei den Kleinsten und gewährleistet eine konstante und aufmerksame Versorgung auch während der Nacht. «Wir sind ständig bereit für eine Intervention. Die Versorgung in der Neonatologie erfordert eine vollständige Beherrschung der Technik, aber auch Aufmerksamkeit für die neurologische Entwicklung und den Aufbau der Kind-Eltern-Bindung», erklärt Véronique Carron, Pflegefachfrau mit Spezialgebiet Neonatologie.
Berücksichtigung mehrerer Kriterien vor dem Spitalaufenthalt
Ein frühgeborenes Baby muss nicht unbedingt in der Neonatologie versorgt werden, obwohl das oft der Fall ist. Dr. Yan Paccaud, Chefarzt in der Abteilung Pädiatrie und spezialisiert auf Neonatologie, erläutert, dass die Entscheidung von mehreren Faktoren abhängt: «Wir beurteilen die Notwendigkeit einer Aufnahme in der Intermediate Care der Neonatologie, indem wir mehrere klinische Kriterien berücksichtigen. Dabei handelt es sich insbesondere um die Frühgeburt, das Geburtsgewicht, das Vorliegen einer Atemnot, angeborene Anomalien oder Stoffwechselstörungen. Auch die klinischen Zeichen, die zusätzlichen Untersuchungen (wie das Blutgas, die biologischen Bilanzen) und die Entwicklung des allgemeinen Zustands des Neugeborenen werden berücksichtigt.»
Eine komplexe Versorgung, die Präzision und Sanftheit erfordert
Die Versorgung in der Neonatologie ist manchmal sehr komplex. In diesen Stationen müssen die Gesundheitsfachpersonen über ausserordentliche Präzision und unglaubliche Sanftheit verfügen. Das Legen einer Infusion bei einem Frühgeborenen, das kaum ein Kilogramm wiegt, erfordert ein aussergewöhnliches Geschick. Beim Eintreten in die Abteilung werden die Besucher ungewöhnlich ruhig empfangen. Die Babys liegen in beheizten Betten oder Inkubatoren, umgeben von kleinen farbigen Tüchern, die einen Kontrast zu den Überwachungsgeräten bilden. Um die gute Entwicklung der Säuglinge zu fördern, versucht das Pflegepersonal, den Stress nach Möglichkeit zu minimieren: «Wir achten stark auf Geräusche und Licht. Es ist auch wichtig, die Pflege auf den Wachrhythmus der Babys anzupassen und gleichzeitig ihre richtige Lagerung zu gewährleisten», erklärt Véronique Carron. Die Pflegefachfrauen achten auch darauf, dass die Eltern, die sich an der Pflege beteiligen, viel Raum erhalten. «Wir arbeiten mit Babys, deren Leben manchmal an einem Faden hängt. Jede Intervention, jeder Handgriff muss sitzen und an ihre Bedürfnisse angepasst sein. Die Arbeit erfordert nicht nur ausgewiesene technische Kompetenzen, sondern auch viel Mitgefühl und Respekt vor diesem beginnenden Leben», erläutert Dr. Yan Paccaud.
Jeder Milliliter zählt, jedes Gramm ist ein Erfolg
Nach den ersten Stunden und Tagen mit einer oft invasiven und sehr technischen Versorgung beginnt ein langer Lernprozess in Bezug auf die Nahrungsaufnahme und die Unterstützung beim Stillen. Jeder Milliliter zählt. «Wir messen jeden Milliliter Milch, den das Neugeborene trinkt, und jedes Gramm an Gewichtszunahme. Es ist ein Alltag, bei dem jeder Fortschritt wertvoll ist», betont Véronique Carron, die von den Fähigkeiten ihrer kleinen Patientinnen und Patienten sehr berührt ist. «Jedes Baby entwickelt sich in seinem eigenen Rhythmus. Jeder Fortschritt wird beobachtet und sorgfältig aufgezeichnet, bis zur autonomen Nahrungsaufnahme, welche die entscheidende Etappe für eine Rückkehr nach Hause darstellt», fügt die spezialisierte Pflegefachfrau an.
Die Bedeutung des Hautkontakts
Für das Versorgungsteam in der Neonatologie ist der Hautkontakt zwischen dem Baby und seinen Eltern äusserst wichtig. «Dieser Kontakt fördert die Regelung der Temperatur, stimuliert die Milchabsonderung und reduziert den Stress des Neugeborenen», erklärt Dr. Paccaud. «Er wirkt sich auch nachhaltig positiv auf die affektive und kognitive Entwicklung aus.» Diese Praxis unterstützt nicht nur die unmittelbare Gesundheit des Babys. Sie spielt auch eine Schlüsselrolle in seiner Entwicklung. «Die Neonatologie wird oft mit dem Inkubator in Verbindung gebracht. Bei uns liegen die Babys jedoch die meiste Zeit in den Armen ihrer Eltern», betont Véronique Carron.
Die Begleitung der Familien hin zur Selbstständigkeit
Ein Frühgeborenes oder der Spitalaufenthalt eines Neugeborenen ist für die betroffenen Familien immer mit Stress und plötzlichen Veränderungen verbunden. «Lungenreifung», «Sauerstoffsättigung», «nicht-invasive Beatmung», «Infusion», «Magensonde», «Nabelkatheter», «Hypoglykämie» : diese Begriffe gehören zum medizinischen Glossar bei der Betreuung dieser Neugeborenen. Der Spitalaufenthalt kann mehrere Wochen, manchmal sogar mehrere Monate dauern. Er erfordert eine umfassende Organisation. «Wir sind uns der Auswirkungen dieser Situationen auf die Familien bewusst. Deshalb berücksichtigen wir ihre Erfahrungen und versuchen immer, uns wohlwollend an ihre Bedürfnisse anzupassen», präzisiert Véronique Carron. «Ein längerer Spitalaufenthalt in der Neonatologie ist für die Eltern oft eine schwierige Lebensphase. Sie müssen sich an eine komplexe medizinische Welt anpassen. Unsere Aufgabe ist es, sie zu unterstützen und ihre Fragen zu beantworten. Zudem binden wir sie in die Pflege und die Entscheidungen ein, damit sie Vertrauen gewinnen», fügt Dr. Yan Paccaud an. «Wir fördern die aktive Beteiligung der Eltern, indem wir sie über den Zustand ihres Babys informieren und sie in die tägliche Pflege (wie das Bad und die Ernährung) einbeziehen. Für die Eltern ist eine einladende und beruhigende Umgebung entscheidend.»
Ein interprofessionelles Netz im Dienst der Kleinsten
Die Familien und die Babys profitieren von einer Betreuung, die weit über die medizinische Versorgung und Pflege hinausgeht. In dieser Abteilung intervenieren zahlreiche Fachpersonen. Stillberaterinnen unterstützen die Mütter in Bezug auf das Stillen, Physiotherapeutinnen und -therapeuten überwachen die motorische Entwicklung und geben Ratschläge für die Lagerung der Babys. Psychologinnen und Psychologen kümmern sich um die Anliegen und Sorgen der Eltern und begleiten sie. Ausserdem steht eine Sozialberaterin zur Verfügung, um alle administrativen oder finanziellen Fragen zu beantworten.
Kreative und solidarische Initiativen
Jede Woche sind zudem die Traumdoktoren der Stiftung Théodora oder der Zauberwagen zu Besuch und bieten einen Hauch von Poesie und Farben. Ein Verein stellt für jedes Baby wunderschöne Patchwork-Bettüberzüge her und ein anderer offeriert kleine gehäkelte Tintenfische. Schliesslich kann den Eltern in der Nähe des Spitals eine günstige Wohnung zur Verfügung gestellt werden, die von Kiwanis finanziert wird. «Für uns ist es wichtig, den Familien eine umfassende Unterstützung anbieten zu können. Jedes Teammitglied, von der Sozialberaterin bis zu den Vereinen, trägt zu einer herzlichen und beruhigenden Umgebung bei», betont Véronique Carron.
Un monde à part avec des exploits silencieux
Die Neonatologie an der Kreuzung zwischen dem Beginn des Lebens und der extremen Verletzlichkeit inspiriert mich stark, da sie gleichzeitig eine akribische Präzision und eine unerlässliche Strenge erfordert, um den Neugeborenen die besten Entwicklungschancen zu bieten.
Dr. Yan Paccaud, Dr. Yan Paccaud, Chefarzt in der Abteilung Pädiatrie
«Die Neonatologie ist eine eigene Welt, eine Blase im Zentrum der Pädiatrie, in der ein Ballett von kleinen sanften und präzisen Händen dem Leben Tag und Nacht Sorge trägt. Die sportlichen Leistungen stehen im Mittelpunkt der Zeitungen. Aber im Schatten dieser Schlagzeilen erbringen diese ganz kleinen Heldinnen und Helden ausserordentliche Leistungen. Und alle, die sich um sie kümmern, verdienen es, einmal im Mittelpunkt zu stehen.
Véronique Carron, Pflegefachfrau mit Spezialgebiet Neonatologie
Interessiert Sie dieser Artikel? Dann lesen Sie auch Bronchiolitis: Eine häufige Erkrankung im Winter