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Die Theaterkunst im Dienst der Pflegekunst

Die Welt der Patientenversorgung lebt in einer permanenten Spannung zwischen zwei entgegengesetzten und gleichzeitig untrennbaren Tendenzen. Einerseits handelt es sich um die technischen Leistungen, die sich ständig weiterentwickeln, und andererseits um das grundlegende Bedürfnis der Patientenbeziehung. Das Theaterstück «Paroles et parole» interessiert sich für diese zweite Dimension, die noch zu oft in den Hintergrund gedrängt wird. Geschrieben haben das Stück Jocelyne Métrailler Al-Sayegh, Pflegefachfrau mit Spezialisierung in Palliativpflege, und Olivia Seigne, Schauspielerin und Regisseurin, auf der Grundlage der Aussagen von Patientinnen und Patienten. Das Projekt «Paroles et parole» ist aus dem Wunsch entstanden, zwei Welten einander näher zu bringen, die sich nicht immer verstehen: die Welt der Gesundheitsfachpersonen und diejenige der Patientinnen und Patienten sowie ihrer Angehörigen.

Die Bedeutung der Wörter

Im Gegensatz zur weitverbreiteten Meinung stellt die Erkrankung nicht immer eine « Pause » im hektischen Alltag dar. Die medizinische Versorgung kann zeitweise zu einem eigenen, aufreibenden Kampf werden. Sein erfolgreicher Ausgang lässt sich nicht quantitativ messen. Gesund werden ist Arbeit, manchmal ein Wettkampf und manchmal ein Kampf, der im Voraus schon verloren ist. In einem von Terminen, Gutachten, Qualität und Spitzenleistungen geprägten Universum werden von Fachpersonen mit grosser Präzision Analysen erstellt und technische Eingriffe vorgenommen. Wie kann man in diesem Zusammenhang noch Zeit für die unterstützende Beziehung zwischen Gesundheitsfachpersonen und Patientinnen und Patienten finden? Wie kann man diese Welten einander näherbringen, in denen « gut » und « schlecht » nicht unbedingt dieselbe Bedeutung haben? « Paroles et parole » inszeniert die Bedeutung der Wörter in der Patientenbeziehung präzis und authentisch.

« Tun oder sein? » Beides!

« Tun oder sein, das ist hier die Frage », würde Hamlet in unserer modernen Zeit sagen. Das Theaterstück «Paroles et parole» bietet zweifelsohne einen Moment, um zu sein, um darüber nachzudenken, was bleibt, wenn die technische Leistung erbracht worden ist. Die Herausforderung ist einfach und doch bedeutend: für sich selbst und den anderen anwesend sein und zuhören, um zu vernehmen, was neben den Wörtern noch ausgedrückt wird. Wörter, um Gefühle zu befreien, um Beschwerden zu lindern. Der Stil des Stücks ist bewusst eher anschaulich als beschreibend gehalten und ermöglicht eine freie und subjektive Interpretation. Alle können darin sich selbst, eine Erinnerung, ein bekanntes Gefühl wiederfinden.

Die Reaktionen der Teilnehmerinnen und des Publikums

Delphine Vouilloz, Patientin

« Mit meiner Aussage möchte ich den Gesundheitsfachpersonen eine Botschaft übermitteln, in der Hoffnung, dass sie dazu beiträgt, gewisse Dinge weiterzuentwickeln. Wir sind nicht einfach eine Nummer oder eine Erkrankung, sondern Personen. Während meiner Behandlung habe ich bei Weitem nicht nur negative Erfahrungen gemacht! Dank der Krebserkrankung habe ich wunderbare Menschen getroffen und ich bin von unglaublichen Pflegefachpersonen unterstützt worden. Aber gegen Ende der Behandlung ist man viel verletzlicher. Alles berührt einen ganz tief. Ich bin voll und ganz einverstanden mit der Botschaft, die das Theaterstück vermittelt. Man spürt, dass Jocelyne weiss, wovon sie spricht. Die gesammelten Aussagen werden richtig und authentisch wiedergegeben. »

Dr. May Monney, Leiterin der Abteilung Palliativmedizin

« Dieses Theaterstück lässt Personen zu Wort kommen, die sonst nicht unbedingt die Gelegenheit dazu haben. Mit dieser Aufführung in seinen Räumlichkeiten beweist das Spital Wallis, dass es der Patientenbeziehung eine zentrale Stellung einräumen will. Dieses Stück setzt viele Emotionen frei. Es ist wichtig, dass gesagt wird, was nicht richtig läuft, aber ich hätte mir gewünscht, dass auch von dem gesprochen wird, was gut funktioniert. »

Isabelle Cretin, Patientin

« Die Aufführung hat mich sehr bewegt, ich habe immer wieder gelacht und geweint. Text und Regie haben den Schauspielerinnen und Schauspielern ermöglicht, verbal, nonverbal, über den Körper, die Mimik, die Fortbewegung, die Stille, … viele Gefühle freizusetzen. Zahlreiche Stellen sind sehr aussagekräftig. Man identifiziert sich mit dem Stück, weil man unsere Aussagen und die erlebten Situationen (Wörter, die erleichtern oder verletzen, …) wiederfindet oder weil sie mitschwingen (Tod, unheilbare Erkrankung, …). Die Botschaften machen uns betroffen und regen zur Reflexion an, weil sie humorvoll, authentisch, kohärent, subtil und präzis übermittelt werden. »

« In diesem Theaterstück kommen Patientinnen und Patienten, aber auch Gesundheitsfachpersonen zu Wort. Es stellt ihre gegenseitigen impliziten, expliziten und unbeholfenen Absichten im Rahmen der Patientenbeziehung dar … Ich liebe dieses ambivalente Spiel zwischen Worterteilen und Wortergreifen. «Das Wort erteilen» bedeutet, sich in der Beziehung einzusetzen. «Das Wort ergreifen» hingegen kann als Machtmissbrauch verstanden werden. Und zudem sind diese «Wörter» in der Mehrzahl, wie in einem von Dalida gesungenen Lied, auch Versprechen … oder Belanglosigkeiten. Ich habe den vielschichtigen Sinn und die Interpretationsfreiheit in diesem Stück sehr geschätzt. »
Dr. Damian König, Leiter der Abteilung Recht und Ethik im Spital Wallis

Über den Autor/die Autorin

Francesca Genini-Ongaro

Collaboratrice spécialisée en communication