Die Schweizerische Gesellschaft für Pneumologie (SGP) besteht aus Ärztinnen und Ärzten, die sich mit Lungen- und Atemwegserkrankungen befassen. An ihrem jährlichen Kongress in Luzern hat die Gesellschaft vor Kurzem Dr. Grégoire Gex, Chefarzt der Abteilung Pneumologie des Spitalzentrums des französischsprachigen Wallis zum Vizepräsidenten gewählt. Er nutzt diese Gelegenheit für einen Aufruf an alle Kolleginnen und Kollegen, damit sie sich für ihren Beruf, ihre Fachrichtung und schliesslich für die Patientinnen und Patienten einsetzen.
Dr. Gex wird zwei Jahre als Vizepräsident und anschliessend zwei Jahre als Präsident tätig sein. In diesen Funktionen möchte er vor allem die Kolleginnen und Kollegen «aller Disziplinen» dazu aufrufen, sich in ihren Vereinigungen zu engagieren. «Manchmal hat man den Eindruck, dass unsere Meinung nicht berücksichtigt wird, aber meine Erfahrung zeigt das Gegenteil», betont er.
«Nicht bei der passiven Kritik stehenbleiben»
Dr. Gex wirkt seit 2014 im Vorstand der SGP mit und ist Mitglied mehrerer Kommissionen, insbesondere auch beim BAG in Bern. Er hat festgestellt, dass sich dieser Einsatz lohnt. «Am Anfang waren es vor allem Ungereimtheiten im Bereich der Tarife, die mich dazu bewogen, mich einzusetzen. Gewisse Leistungen wurden nämlich zurückerstattet, andere hingegen nicht. Ich konnte nicht bei der passiven Kritik in der Cafeteria stehenbleiben und wollte wissen, wo die Probleme lagen. Und wir konnten etwas in Bewegung setzen und gewisse Dinge ändern wie zum Beispiel die Liste der Hilfsmittel. Wir konnten einige Ungerechtigkeiten aus dem Weg räumen, so dass heute Personen von einer Versorgung profitieren können, von der sie vorher ausgeschlossen waren.»
«In Bern sind die Leute meistens guten Willens.»
Die Anwesenheit in Bern und in den Vereinigungen ermöglicht auch einen Einsatz für die Ausbildung von Fachärztinnen und Fachärzten sowie die Entwicklung von Präventionsprojekten. «Wenn man nicht in Bern ist, kennt man die Situation nicht und denkt, dass für gewisse Bereiche wie die Prävention kein Geld zur Verfügung steht. Aber die Fonds existieren. Ohne Projekte können diese jedoch nicht genutzt werden … In den Ämtern des Bundes sind die Leute meistens guten Willens und haben ein offenes Ohr für das öffentliche Gesundheitswesen. Aber manchmal fehlen die Kontakte mit den Personen vor Ort, da sich diese auch zu wenig einsetzen.»
Minderheiten werden gehört
Eine andere, weit verbreitete falsche Behauptung ist gemäss Dr. Gex, dass die sprachliche Minderheit, die Westschweiz, kein Gehör findet. «Ich erlebe genau das Gegenteil! Es ist richtig, dass die Sprache manchmal ein Problem darstellen kann. Aber ich habe den Eindruck, dass man uns mit unserer Etikette als “Minderheit” besonders viel Gehör schenkt».
Für Dr. Gex ist auch der Vorteil des Berufsnetzes, das man sich in Bern und im Vorstand der SGP aufbauen kann, nicht zu unterschätzen. «Heute kenne ich die Chefs praktisch aller Abteilungen Pneumonie in der Schweiz und viele Personen beim BAG. Angesichts der zahlreichen Herausforderungen, denen sich die Medizin stellen muss, kann das auch hilfreich sein. Im Allgemeinen sind die Ärztinnen und Ärzte in den Organen, welche über die Richtung des Gesundheitswesens entscheiden, nur ungenügend vertreten. Man fordert zum Beispiel zu Recht mehr Qualitätsmarker. Aber über diese Marker wird oft nicht von Ärztinnen und Ärzten, sondern von Versicherern oder Verwaltungspersonal entschieden. Wenn wir uns als Ärztinnen und Ärzte vor Ort nicht vermehrt für die Relevanz dieser Marker einsetzen, können wir uns dann auch nicht darüber beklagen, dass sie nicht angemessen sind.»
Herausforderungen annehmen und vermehrt delegieren
Der Mangel an Ärztinnen und Ärzten ist ein anderes Problem der medizinischen Versorgung der Patientinnen und Patienten unseres Landes. «Früher beklagte man sich über die fehlenden Budgets, heute findet man keine Fachkräfte. Die Schweiz hat aus mehreren Gründen nicht genügend Ärztinnen und Ärzte. Die Leute gehen vermehrt in die Sprechstunde, die Teilzeitarbeit nimmt zu, aber auch die Ärztinnen und Ärzte tragen meiner Ansicht nach zum Problem bei.»
In diesem Zusammenhang genügt es nicht, die Zahl der auszubildenden Ärztinnen und Ärzte zu erhöhen. «Wir müssen unsere Arbeitsweise ändern und insbesondere die medizinische Versorgung vermehrt an Pflegefachpersonen delegieren. Es bestehen immer noch zahlreiche kulturelle, wirtschaftliche und ausbildungstechnische Hindernisse. Um das Ziel zu erreichen, benötigen wir auf nationaler Ebene Anreize mit einem entsprechenden Ausbildungsgang und Tarifen, die an diese neue Arbeitsweise angepasst sind.»
Der Pneumologe ist ausserdem der Ansicht, dass die Spezialisierung der medizinischen Disziplinen im Gegensatz zur häufig geäusserten Meinung die Entwicklung der Advanced Practice bei den Gesundheitsfachpersonen eher erleichtern könnte. «Eine nicht spezialisierte Pflegefachperson kann bei der Advanced Practice zurückhaltend sein, da sie alles wissen sollte. Das wäre für eine spezialisierte Pflegefachperson viel einfacher, da sie sich zum Beispiel nur um die COPD oder die Schlafapnoe kümmern würde.»
«Es ist nicht sicher, dass wir das Ziel erreichen», erläutert Dr. Gex. Aber er lässt in seinen Bemühungen nicht nach. «Ich bin nicht sehr impulsiv oder ungeduldig, aber beharrlich. Es gibt immer wieder kleine Rückschläge, aber schlussendlich kommt man doch vorwärts. Man darf den Mut nicht verlieren.» Und vor allem muss man sich einsetzen …