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Malévoz: eine Zeitreise zur Würdigung einer 120-jährigen Geschichte

Die Vitrine der Cafeteria des Spitals Malévoz ist neu gestaltet worden. Patienten, Mitarbeitende und Besucher können dort jetzt eine Mini-Ausstellung bewundern, welche die 120-jährige Geschichte der Psychiatrie in 10 Schlüsseletappen aufzeigt. Das Team des Quartier Culturel de Malévoz hat sich in enger Zusammenarbeit mit den medizinisch-pflegerischen Teams des Spitals dieser Herausforderung gestellt.

Marianne Defago, sozi-kulturelle Animatorin und Bühnenbildnerin beim Quartier Culturel de Malévoz

«Das Projekt wird durch den VereinMalévoz, Arts, Culture & Patrimoine finanziell unterstützt. Es ist aus dem Wunsch entstanden, ein Erbe in den Mittelpunkt zu stellen, das in Vergessenheit geraten ist», erzählt Marianne Defago, sozio-kulturelle Animatorin und Bühnenbildnerin beim Quartier Culturel de Malévoz (MCQ). Gegenstände aus verschiedenen Zeitabschnitten wie Arbeitskittel, Alltagsgegenstände, Pflegematerial, usw., befinden sich im ganzen Haus verstreut, manchmal vergessen, manchmal weggeworfen, manchmal als Dekoration verwendet. «Mein Wunsch ist es, dieses ganze Erbe zu erhalten», gesteht Marianne Defago. Das Team des Quartier Culturel de Malévoz sowie Murielle Borgeaud, Pflegeleiterin der Abteilung stationäre Psychiatrie und Psychotherapie, und Olivier Guyot, Leiter der Pflegeabteilung, haben für die Konzeption einer Zeitreise in zehn Schlüsseletappen, vom Gesundheitshaus Malévoz im Jahr 1901 bis zum Psychiatriespital im Jahr 2021, zusammengearbeitet (siehe Kasten).

Eine Vitrine für eine Mini-Ausstellung

Das Konzept, die Umsetzung und die Leitung der Arbeiten sind der Bühnenbildnerin Martine Monn anvertraut worden. Ein Fahrrad aus dem Jahr 1940 steht im Zentrum der Ausstellungs-Vitrine. Ein Symbol für die vergängliche Zeit? Ein Hinweis auf das kleine Räderwerk im Kopf? Oder ganz einfach ein Relikt aus vergangener Zeit, als die Schwestern die Mahlzeiten für die Patienten noch mit dem Fahrrad transportierten? Weiter hinten in der Vitrine alte Apothekergläser, Spuren von Elektroschocks und alte Schlüssel. Vielleicht die Schlüssel, mit denen die Patienten in ihrem Zimmer eingeschlossen wurden, als die Zwangsjacken noch in Gebrauch waren? Eine wichtige Etappe in der Geschichte von Malévoz war zweifelsohne die Abschaffung der Fixierung und der geschlossenen Zimmer 1967 durch Dr. Jean Rey-Bellet, ärztlicher Direktor zwischen 1967 und 1990.

Eine wunderbare Synergie zwischen Quartier culturel und Spital

«Diese Ausstellung ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit. Um die Gegenstände, die wir aus dem Estrich geholt haben, zum Sprechen zu bringen, habe ich mich mit mehreren Personen unterhalten, die jeweils im Besitz eines Teils dieser Erinnerung sind, die allmählich verblasst», erzählt Marianne Défago. «Ich zähle hier nur einige dieser Personen auf: Irénée Rithner, seit bald 40 Jahren Maurer in Malévoz, Philippe Laffond, klinischer Fachpflegemann, Pierre Imesch, Leiter Restauration, und natürlich Dr. Georges Klein, Chefarzt der Abteilung für stationäre Erwachsenenpsychiatrie und -psychotherapie. Ich habe sehr gerne Hand in Hand mit diesen Personen gearbeitet, die das Spital ausmachen. Dies hat uns ermöglicht, ihre Arbeit kennenzulernen und gleichzeitig ein kleines Stück des Erbes zu retten.» Murielle Borgeaud ihrerseits ist ebenfalls begeistert: «Marianne hat ein inneres Gefühl für das Schöne! Ihre Arbeit macht auch unsere Arbeit schön und vermittelt den Patienten und Besuchern viel Frische und Fröhlichkeit.»

Der rote Faden der Geschichte

Der rote Faden sieht hier wie eine Fuchsie aus. Eine Reihe von Wörtern dekoriert die Vitrine und verbindet die zehn Etappen, welche die Ausstellung strukturieren. Ausdrücke, die noch heute auf das Wesentliche des Auftrags der Pflegenden hinweisen: trösten, beheben, stärken, unterstützen, Hilfe leisten, erleichtern, helfen, liebevoll umsorgen … «Diese von der Bühnenbildnerin mit Bedacht ausgewählten Ausdrücke rufen die unvergänglichen Werte unseres Berufs in Erinnerung, in dessen Zentrum die therapeutische Beziehung zum Patienten steht», lächelt Murielle Borgeaud. «In der psychiatrischen Pflege spielt sich das Wesentliche in der Begegnung mit dem anderen ab. Das wird sich nicht so schnell ändern. Ohne Begegnung ist keine Pflege möglich. Aber die Begegnung ist eine qualitative und subjektive Erfahrung, die nicht quantifiziert werden kann», ruft die Pflegeleiterin in Erinnerung. «Das ist in einem Gesundheitssystem, in dem jede Leistung präzis erfasst werden muss, nicht einfach zu erklären. Eine Beziehung lässt sich nicht auf Zahlen reduzieren. Deshalb ist in unseren Augen der Blickwinkel des sozio-kulturellen Teams so wertvoll. Dies ermöglicht uns, die Psychiatrie besser zu verstehen und ausserhalb jeglicher Stigmatisierung eine privilegierte Öffnung zur Aussenwelt zu schaffen.»

1901: Bau der drei ersten Gebäude: Muguex, Rocheys, Laurier
1914: Kauf des Bauernhofs Mangettes, auf dem die chronischen Patienten arbeiten werden
1940: erste Behandlungen durch «Elektroschocks», die heute zur Elektrokonvulsionstherapie geworden sind
1957: Einführung der Antidepressiva und der Beruhigungsmittel
1967: Jean Rey-Bellet, ärztlicher Direktor von 1965 bis 1990, beschliesst, die Fixierung und die geschlossene Zimmer abzuschaffen sowie den Einsatz der psychotropen Substanzen einzuschränken
1968: Bau der Cafeteria (der Bauernhof wird nicht mehr bewirtschaftet)
1998: Renovation der Gebäude
1998: Abschaffung der Arbeitskittel
2010: das Spital empfängt eine kulturelle Gemeinschaft in seinen Mauern, das Malévoz Quartier Culturel
2021: das Psychiatriespital heute: ein Glied in einem dichten Vereinsnetz

Malévoz, Arts, Culture & Patrimoine ist 2014 gegründet worden. Der Verein, der vom ehemaligen Staatsrat Claude Roch präsidiert wird, verfolgt drei Ziele:

– die Organisation von kulturellen Aktivitäten am Standort Malévoz unterstützen
– eine Künstlerresidenz und Künstlerworkshops leiten
– das Erbe des Psychiatriespitals erhalten und bekannt machen

Um die Geschichte des Orts, insbesondere die Gärten, bekannt zu machen, sind zum Beispiel im Rahmen der Europäischen Tage des Kulturerbes oder durch eine vor Kurzem veröffentlichte Forschungsarbeit in Zusammenarbeit mit der HES-SO bereits zahlreiche Aktionen durchgeführt worden. www.malevozquartierculturel.ch

Über den Autor/die Autorin

Francesca Genini-Ongaro

Collaboratrice spécialisée en communication

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