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Die Vorstellungskraft und das Wunderbare in der Ergotherapie: Wenn Kunst die Heilung begleitet

Im Behandlungspfad der Personen mit psychischen Beschwerden nimmt die Ergotherapie einen wichtigen Platz ein. Sie bietet innovative Ansätze, die weit über die medikamentöse Behandlung hinausgehen. Unter diesen Ansätzen erweist sich die künstlerische Betätigung als wertvolles therapeutisches Mittel, das neue Möglichkeiten für das psychologische Wohlergehen und den Wiederaufbau der Identität eröffnet.

Acryl von Rodrigue Pellaud

Ein Ansatz, der auf den Transformationsprozess ausgerichtet ist

In Malévoz und in den CCPP von Sitten und Siders steht die Kunst im Zentrum der Ergotherapie-Ateliers. Viviane Frass, Ergotherapeutin und Kunsttherapeutin, erklärt:

Viviane Frasse, ergothérapeute

«Man spricht von Ergotherapie, einem therapeutischen Ansatz, der künstlerische Mittel benutzt, und nicht unbedingt von Kunst an sich. Uns interessiert der Transformationsprozess der Person und das, was die Kunst dieser Person in ihrem Leben bieten kann.»

Dieser Ansatz konzentriert sich auf den Alltag und die konkreten Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten. «Wie kann die Woche strukturiert werden? Wie können die sozialen Beziehungen wieder aufgebaut werden? Wie kann man sich wieder um sich selbst kümmern?», präzisiert sie. In diesem Sinne sind die künstlerischen Tätigkeiten kein Selbstzweck, sondern ein Mittel zur Remobilisation.

Kunst als Sprache und Vermittlerin

Die psychischen Beschwerden beeinträchtigen die Fähigkeit, seine Gefühle auszudrücken. Die Kunst wird zu einer alternativen Sprache, zu einer «dritten Vermittlerin», die es ermöglicht, Gefühle und schmerzhafte Erfahrungen indirekt anzusprechen.

«Wenn ich einem Patienten vorschlage, ein Bild zu malen, frage ich ihn nicht direkt, wie es ihm heute geht. Das Bild wird zu einem Gegenstand des Dialogs, zu einem Support für den Ausdruck der Gefühle und des Fortschritts», betont Viviane Frass.

Diese kreative Freiheit bietet eine Ausdrucksmöglichkeit ohne ästhetischen Druck. Es ist nicht nötig, «Erfolg zu haben» oder «etwas Schönes zu machen»: Es geht in erster Linie um Motivation und Freude.

Eine Stärkung des Vertrauens und des Selbstwertgefühls

Jede noch so bescheidene Kreation wird zu einer persönlichen Erfüllung. Sie zeugt von den vorhandenen Fähigkeiten und stärkt das Selbstvertrauen.

Ein in Malévoz betreuter Patient illustriert diesen Prozess. Nach einem langen Spitalaufenthalt wird er ans CCPP weiterverwiesen, wo er das Malen entdeckt. Zuerst widmet er sich der Acrylmalerei, dann der Ölmalerei. Allmählich wird das Malen zu seiner täglichen Beschäftigung.

«Er hat sich dank des Malens wieder bewegt», erzählt Viviane Frass. «Er hat sich wieder um sich selbst gekümmert, die Beziehung zu seiner Familie aufgenommen und mit seinen Werken das Interesse anderer Personen geweckt. So hat er sein Leben wieder aufgebaut.»

Dieser Patient hat sein Wissen sogar weitergegeben: Er hat für die übrigen Teilnehmenden ein Referat über die Theorie der Farben gehalten. Eine «sehr aufwertende und umwandelnde Erfahrung», betont die Ergotherapeutin.

Eine Verankerung im Hier und Jetzt

Die künstlerische Tätigkeit ermöglicht die Verankerung im Hier und Jetzt und die Kanalisierung der umherschweifenden Gedanken. Ein vollendetes Werk wird zu einem zeitlichen Bezugspunkt, zu einem greifbaren Meilenstein im oft zersplitterten Lebenslauf.

Die von den Ateliers organisierten Ausstellungen verstärken diese Dynamik. Sie bieten den Patientinnen und Patienten die Möglichkeit, mit dem Umfeld und der Öffentlichkeit über ihre Werke zu sprechen. «Das bedeutet für eine Person, die eine Depression durchgemacht hat, sehr viel», unterstreicht Viviane Frass. Diese Konfrontation mit der Ansicht anderer Personen motiviert auch dazu, die Themen auszuweiten und neue Vorstellungen einfliessen zu lassen.

Eine wertvolle Ergänzung zur traditionellen Therapie

Die Ergotherapie ersetzt keine medikamentösen Behandlungen oder Psychotherapien, sondern ergänzt diese harmonisch. «Sie fügt dem Versorgungspfad eine menschliche und sichtbare Dimension hinzu, indem sie sich auf die kreativen Ressourcen jeder Person abstützt. Dabei ist die Zusammenarbeit mit dem interdisziplinären Team unentbehrlich», betont Viviane Frass.

Dieser holistische Ansatz anerkennt, dass die Heilung nicht nur über die Reduktion der Symptome, sondern auch über den Wiederaufbau eines Lebensgleichgewichts, über die Wiederentdeckung des eigenen Potenzials und über die Wiedereingliederung ins soziale Netz erfolgt. Die Ergotherapie trägt zu diesen Zielen bei, indem sie positive und bereichernde Erfahrungen ermöglicht, die das psychologische Wohlbefinden steigern.

Die Rückkehr zur Materie und zum Leben

Der ausgebildete Grafiker und Videofachmann Rodrigue Pellaud drückte seine Kreativität lange in der digitalen Welt, in der Welt der künstlichen Formen und Lichter aus. Über die vom CCPP von Sitten angebotenen Ergotherapie-Ateliers entdeckte er wieder eine andere Beziehung zum Bild und zum Leben: langsamer, materieller und menschlicher.

Rodrigue Pellaud

«In der Ergotherapie konnte ich mich ohne Einschränkungen ausdrücken. Brandmalerei, Zeichnungen und anschliessend diese grossen Gemälde. Zuerst in Acryl und dann in Öl, das ich sofort wegen seiner Möglichkeit der äusserst feinen Abstufungen schätzte. Das Farbstudium wurde für mich zu einer echten Leidenschaft und diese Ansicht auf die Welt begleitet mich täglich. Im Gegensatz zu meinen unsichtbaren digitalen Kreationen existieren meine Gemälde auch für andere Personen und ermöglichen mir, Beziehungen zu knüpfen.»

Mit dem Malen entdeckte er wieder die Textur und die von jeder Geste verlangte Zeit und Konzentration. Das Malen verankert ihn im Hier und Jetzt und lässt ihn seine dunklen Gedanken vergessen. Seine Gemälde sind auch für andere Personen sichtbar. Sie zirkulieren und bauen Brücken. Heute malt Rodrigue Pellaud in einem Kunstatelier in Sitten, wo er Formen, Themen und Gefühle frei ausdrücken kann. Auf dem Weg von der digitalen Kunst zum Gemälde fand der Künstler wieder Freude am Austausch und an der Beziehung zu anderen Personen.
Gegenwärtig bereitet er eine umfassende Ausstellung vor, die 2026 in Saint-Léonard zu sehen sein wird.

Ausstellungen

Eine kollektive Ausstellung von Patientinnen und Patienten, die in der Ergotherapie betreut werden, ist gegenwärtig bis zum 31. Oktober 2025 im CCPP von Sitten – Centre de compétences en psychiatrie et psychothérapie, Av. de Tourbillon 13, 1950 Sion – zu entdecken.
Anschliessend folgt die Einzelausstellung von Léa Héritier (Ölgemälde). Vernissage am Donnerstag, 30. Oktober 2025 um 17 Uhr, Finissage am Donnerstag, 30. April 2026.
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Eintritt frei, Montag bis Freitag von 9 Uhr bis 16 Uhr.
Für zusätzliche Informationen: viviane.frass@hopitalvs.ch.

Francesca Genini-Ongaro

Collaboratrice spécialisée en communication

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