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«Mit jemandem in seiner Muttersprache zu kommunizieren bedeutet, ihm in seiner Kultur zu begegnen»

Als kantonsweit tätige Gesundheitseinrichtung schenkt das Spital Wallis der Zweisprachigkeit besondere Beachtung. Am französischsprachigen Standort Sitten werden jedes Jahr über 700 Personen aus dem deutschsprachigen Oberwallis behandelt. Zweisprachige Pflegefachpersonen gewährleisten als Sprachassistentinnen rund um die Uhr eine reibungslose Kommunikation und begeben sich mehrmals täglich zu den deutschsprachigen Patientinnen und Patienten. So auch unsere Interviewpartnerin Monique Varone-Runge. Sie ist Pflegeleiterin und führt das 6-köpfige Team der Sprachassistentinnen im Spital Sitten.

Worin besteht Ihre Arbeit als Sprachassistentin ?
Meine fünf Kolleginnen und ich sind alle diplomierte Pflegefachfrauen und haben die Aufgabe, die Kommunikation zwischen den deutschsprachigen Patienten bzw. Angehörigen und den Gesundheitsfachpersonen zu erleichtern. Hierzu gehören einerseits die Gespräche mit dem Arzt, aber auch mit dem Rest des interdisziplinären Teams wie den Pflegefachpersonen, Ernährungsberaterinnen, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Logopädinnen, Spitalaustritt-Koordinatorinnen und weiteren Personen. Wir stehen den deutschsprachigen Patienten und ihren Angehörigen im Spital Sitten von Montag bis Sonntag zur Verfügung. Durchschnittlich hat unser Team 11 Einsätze pro Tag.

Was bringt dies den Patienten ?
Mit jemandem in seiner Muttersprache zu kommunizieren bedeutet, ihm in seiner Kultur zu begegnen. Das schafft Vertrautheit und Sicherheit. Dies zeigt sich auch nonverbal: Wenn wir mit einem deutschsprachigen Patienten Deutsch reden, leuchten seine Augen. Er fühlt sich verstanden und ist beruhigt. Die Kommunikation ist etwas vom Wichtigsten in der Pflege. Der Patient soll sich wohlfühlen und seine Bedürfnisse in der Muttersprache ausdrücken können.

Wie sehen Ihre Einsätze als Sprachassistentin konkret aus ?
Die Patienten geben auf dem Formular, das sie beim Spitaleintritt ausfüllen, jeweils ihre Muttersprache an. Daraus lässt sich eine Liste mit allen deutschsprachigen Patienten erstellen, die uns quasi als Wegweiser dient. Jeden Morgen schauen wir uns die aktuelle Liste an und begeben uns zu den deutschsprachigen Patienten und ihren Bezugspflegefachpersonen. Zudem werden wir oft von den transversalen Diensten aufgeboten, zum Beispiel von der Notfallabteilung oder den ambulanten Diensten. Es ist für die Diagnose und Behandlung sehr wichtig, die Symptome des Patienten genau zu verstehen.

Ruft Sie manchmal auch ein Patient direkt an ?
Nein, das nicht. Bei unserem Rundgang besuchen wir ja eh alle deutschsprachigen Patienten. Wir arbeiten eng mit den Behandlungsteams zusammen, d.h. wir sind bei den Arzt- und Pflegevisiten dabei und stellen sicher, dass der Patient alles richtig verstanden hat. Wir nehmen uns Zeit für die Fragen und Sorgen der Patienten und unterstützen die Angehörigen bei Gesprächen.

Wieso muss es sich bei den Sprachassistentinnen um Pflegefachfrauen handeln ?
Als wir erstmals über die Einführung von Sprachassistentinnen diskutierten, wurde schnell klar, dass es sich dabei um Personen handeln muss, die die Spitalwelt gut kennen. Dieses Hintergrundwissen ist deshalb so wichtig, weil man nie im Voraus weiss, wie das Gespräch verlaufen wird und welche Fragen auftauchen. Man kann sich also nicht wirklich auf das Gespräch vorbereiten. Unsere Arbeit ist anspruchsvoll und fordert volle Konzentration. Wir müssen quasi aus dem Stegreif antworten und reaktionsfähig sein. Einerseits müssen wir rasch verstehen, was der Arzt will, andererseits müssen wir dem Patienten die richtigen Fragen stellen. Und nicht zuletzt wirkt es gegenüber den Behandlungsteams und im Zusammenhang mit dem Arztgeheimnis glaubwürdiger, wenn die Sprachassistentinnen aus dem Pflegebereich stammen.

Welchen Aspekt Ihrer Arbeit lieben Sie besonders ?
Schon bei meinem Einstieg in den Pflegeberuf faszinierte mich nicht nur der technische, sondern insbesondere auch der menschliche Teil der Pflege – das aktive Zuhören und die Kommunikation. Dies liegt mir sehr am Herzen und gehört zu meiner Idealvorstellung der Pflege. Als Sprachassistentin kann ich mich voll und ganz diesem Ideal widmen, was mir eine unglaublich grosse persönliche Befriedigung gibt. Es ist auch kein Zufall, dass alle Sprachassistentinnen bereits etwas länger in der Pflege aktiv sind. Ich glaube, eine Berufseinsteigerin hätte es schwer, denn die Vielfältigkeit der Arbeit als Sprachassistentin erfordert eine langjährige und breit gefächerte Erfahrung. Wir müssen uns in allen Bereichen «zuhause» fühlen, von der Gefäss- und Viszeralchirurgie über die Onkologie und Kardiologie bis hin zur Neurologie und weiteren Fachgebieten.

Welche Rückmeldungen erhalten Sie von den Patienten, denen Sie sprachlich zur Seite stehen ?
Die Wertschätzung der Patienten und Angehörigen, aber auch der Pflegeteams und Ärzte ist gross und gibt mir viel. Seit der Einführung der Sprachassistenz im Jahr 2013 hat die Zweisprachigkeit in unserem Spital enorm an Bedeutung gewonnen. Zu Beginn wurden wir von einigen Spitalkollegen mit Argwohn betrachtet. Der Nutzen unserer Arbeit war damals noch nicht allen klar. In den letzten fünf Jahren hat ein immenser Wandel stattgefunden und ich stelle eine grössere Offenheit gegenüber der deutschen Sprache, aber auch gegenüber der deutschsprachigen Kultur fest. Unsere Kolleginnen und Kollegen reden spontaner Deutsch als früher.

Wenn Sie einen Zauberstab hätten, was würden Sie ändern ?
Ich schätze mich sehr glücklich, diesen Beruf ausüben zu können. Dies bekomme ich auch immer wieder von den anderen Sprachassistentinnen meines Teams zu hören. Die Bedingungen stimmen ebenfalls: Wir verfügen über genügend Ressourcen und Zeit, um unserer Arbeit nachzugehen. Ich würde also nichts ändern, aber wünsche mir, dass wir mit demselben Elan weiterfahren können, um die Spitalwelt menschlicher zu machen.

Über den Autor/die Autorin

Francesca Genini-Ongaro

Collaboratrice spécialisée en communication

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