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Den Prostatakrebs verstehen und ihm vorbeugen

Jedes Jahr steigt in der Schweiz die Zahl der Männer mit Prostatakrebs. Es handelt sich in den westlichen Ländern um die häufigste Krebsart beim Mann. Deshalb informieren Dr. Kaouthar Khanfir, Abteilungsleiterin Chefärztin Radioonkologie, und Dr. Orhan Ozsoy, Chefarzt Radioonkologie des Spitals Sitten, näher über diese Krankheit.

Prostatakrebs: Definition und Risikofaktoren

Der Prostatakrebs entwickelt sich in der Vorsteherdrüse, einem männlichen Geschlechtsorgan. Das Risiko, im Verlauf des Lebens an einem Prostatakrebs zu erkranken, liegt bei 13,5%. Jedes Jahr werden in der Schweiz rund 6500 neue Fälle diagnostiziert.
Die Inzidenz für Prostatakrebs steigt mit dem Alter. Bei unter 50-Jährigen werden sehr wenige Fälle diagnostiziert (ausser bei Risikofaktoren). Die übrigen Risikofaktoren sind genetischer oder ethnischer Natur. Wenn bei nahen Verwandten ein Prostatakrebs diagnostiziert wurde, ist das Risiko für diese Erkrankung 2- bis 5-mal höher als im Durchschnitt. Wenn der Verdacht auf eine erbliche Vorbelastung in Bezug auf Prostatakrebs besteht, wird eine onkogenetische Sprechstunde empfohlen. Bei einer afrikanischen oder westindischen Herkunft besteht ebenfalls ein erhöhtes Risiko. Übergewicht ist ein Risikofaktor für aggressive Arten von Prostatakrebs.

Dr. Kaouthar Khanfir

Die häufigsten Symptome

Die meisten Patienten sind asymptomatisch. Allenfalls auftretende Symptome stehen nicht spezifisch mit dem Prostatakrebs in Zusammenhang. Wenn der Tumor grösser wird, kann bei den Patienten allerdings tagsüber und während der Nacht ein häufiger Harndrang, ein dringendes Bedürfnis der Blasenentleerung, manchmal verbunden mit Brennen beim Wasserlassen, sowie ein schwacher Harnstrahl festgestellt werden. Bei fortgeschrittener Krankheit sind Schwierigkeiten beim Wasserlassen, Blut im Urin, Druck im Enddarm und Ödeme in den unteren Gliedmassen (mit einer Kompression der Ganglien) zu beobachten. In Fällen mit Metastasen kommt es zudem zu Knochenschmerzen.

Dr. Orhan Ozsoy

Diagnose des Prostatakrebses

Ein erhöhter Wert des PSA-Markers (prostataspezifisches Antigen) im Blut ist ein Anzeichen für eine krankhafte Veränderung der Prostata. Beim Abtasten der Prostata über den Enddarm kann manchmal eine Verhärtung festgestellt werden, die auf ein Karzinom hinweist. Die MRI ist für die Diagnose des Prostatakrebses besonders gut geeignet. Sie wird heute sehr früh eingesetzt. Wenn aufgrund der MRI ein Verdacht auf einen Tumor besteht, kann eine gezielte, MRI-geleitete Biopsie durchgeführt werden. Bei einem normalen MRI-Ergebnis kann man beruhigt sein und eine Biopsie ist nicht notwendig. In einzelnen Fällen kann das Ergebnis der MRI unklar ausfallen und man kann nicht bestätigen, dass kein Tumor vorliegt. Wenn die Klinik und die Biologie in diesen Fällen auf einen Tumor hinweisen, wird trotzdem eine Biopsie durchgeführt. Die Diagnose des Prostatakrebses erfordert gleichzeitig das Festlegen eines Gleason-Scores durch den Pathologen. Der Score liegt zwischen 5 und 10. Ein hoher Score weist auf einen aggressiveren Tumor hin. Die PSMA PET-CT (Untersuchung im PET-Scanner mit Injektion eines für den Prostatakrebs spezifischen Isotops) ist ein modernes bildgebendes Verfahren, das für die lokale und regionale Bilanz, aber auch auf Distanz eingesetzt wird.

Die Behandlungsoptionen

Auf der Grundlage der Risikogruppen werden die Optionen anhand der fachlichen, multidisziplinär abgesprochenen Empfehlungen vorgeschlagen. Bei den lokalisierten Fällen unterscheidet man Gruppen mit niedrigem, mittlerem, hohem und sehr hohem Risiko. Bei der Einschätzung werden der PSA-Wert, der Gleason-Score und die Ausdehnung des Primärtumors (T1, T2, T3, usw.) berücksichtigt. Unter Risiko versteht man das Rezidivrisiko nach einer kurativen Behandlung. Bei den lokalisierten, nicht aggressiven Fällen mit langsamer Entwicklung kann eine aktive Überwachung mit einer regelmässigen Kontrolle des PSA-Werts und einer MRI der Prostata vorgeschlagen werden. Mit dieser kurativen Option kann die Behandlung aufgeschoben werden.

Bei den fortschreitenden Fällen kann eine Prostatektomie oder eine Strahlentherapie vorgeschlagen werden. Die Ergebnisse in Bezug auf den Tumor sind dieselben. Nach einer Operation muss in gewissen Fällen bei einem Rückfall noch eine Strahlentherapie durchgeführt werden. Seltener ist eine ergänzende Strahlentherapie direkt nach der Operation notwendig. Wenn es sich um aggressive Tumoren handelt, wird eine Androgenblockade (eine Hormontherapie) mit oral eingenommenen Medikamenten und Injektionen vorgeschlagen.

Bei den metastasierenden Fällen erfolgt kein chirurgischer Eingriff für die Prostata. Es wird vielmehr die Hormontherapie (Androgenblockade) mit einem oder zwei Produkten vorgeschlagen (eine Blockade der männlichen Geschlechtshormone mit Produkten, die auf das endokrine System einwirken und in Form von Injektionen oder Tabletten verabreicht werden). Anschliessend folgt eine Chemotherapie und  oft eine palliative, manchmal auch maximale Strahlentherapie der Prostata, der Ganglien oder der Knochen.

Die definitive Wahl der Behandlung wird in der Sprechstunde getroffen. Dem Patienten werden Nutzen und Risiken jeder Option erklärt. Dabei werden auch das Alter und die assoziierten Erkrankungen berücksichtigt.

Nebenwirkungen der Behandlungen

Die Nebenwirkungen hängen mit der Art der Behandlung zusammen:

Bei der chirurgischen Entfernung der Prostata kommt es häufig zu einer vorübergehenden, manchmal auch definitiven Harninkontinenz sowie zu Erektionsstörungen. Dazu kommen die Risiken in Zusammenhang mit der Vollnarkose.

Bei der Strahlentherapie kann es zu einer Störung des Rhythmus bei der Harnentleerung kommen, oft verbunden mit einem häufigeren und brennenden Wasserlassen. Ausserdem können Darmprobleme mit Durchfall, flüssig-weichem Stuhlgang, Darmkrämpfen und/oder falschem Stuhldrang auftreten. Mittel- und langfristig kann die Strahlentherapie bei einigen Patienten zu einer Zystitis oder einer Rektitis führen, manchmal verbunden mit Blasen- oder Enddarmblutungen. Diese Komplikationen werden mit Medikamenten oder lokalen Eingriffen behandelt.

Bei Patienten mit einer Hormontherapie kommt es häufig zu Hitzewallungen, Verlust der Libido und Erektionsstörungen. Zudem sind bei Risikopatienten auch Erschöpfung, Veränderungen der Gemütslage, Muskel- und Gelenkschmerzen, Gewichtszunahme und Abnahme der Knochendichte zu beobachten.

Die neusten Fortschritte in der Behandlung des Prostatakrebses

Bei der Prostatektomie (chirurgische Entfernung der Prostata) kann eine Operation mit Roboter durchgeführt werden. Mit dieser Methode werden die Nerven besser geschützt und es entstehen weniger Folgeschäden.

Bei der Strahlentherapie  ist eine hypofraktionierte Therapie möglich, mit der die gleiche Dosis in weniger Sitzungen verabreicht wird. In ausgewählten Fällen kann so die Dauer der Strahlentherapie verkürzt werden (zum Beispiel eine Behandlung in 4 Wochen statt in 8 Wochen).

Bei gewissen lokalisierten, nicht aggressiven Fällen kann eine Brachytherapie  mit radioaktiven Teilchen vorgeschlagen werden (es handelt sich um eine Technik der Strahlentherapie). Bei anderen, eher aggressiven Fällen, kann eine Brachytherapie über Nadeln, verbunden mit einer externen Strahlentherapie eingesetzt werden.

Eine andere Option mit einer noch ungenügenden Überwachung ist die stereotaktische Strahlentherapie (eine sehr gezielte Behandlung mit geringer Schädigung des umliegenden Gewebes). Sie wird regelmässig bei Metastasen (Knochen, Ganglien) eingesetzt und benötigt nur 4 oder 5 Sitzungen.

Für stark begrenzte Tumoren werden gegenwärtig verschiedene Methoden evaluiert. Es handelt sich dabei zum Beispiel um die Kryoablation, den HI-FU (high-intensity focused US), die fokale photodynamische Behandlung und die Radiofrequenz (RFA).

Für aggressive oder metastasierende Fälle gibt es Hormontherapien erster und zweiter Linie (LHRH-Agonisten oder -Antagonisten, manchmal mit Antiandrogenen) und Chemotherapien.

Für metastasierende, auf die Hormontherapie refraktäre Fälle, werden gegenwärtig gezielte Behandlungen und Immuntherapien evaluiert.

Für die Fälle mit multipler Metastasierung in den Knochen gibt es metabolische nukleäre Therapien zum Beispiel mit Radium-223 oder Lutétium-177, bei denen gezielt das Skelett behandelt wird.

Das Risiko dieser Krebserkrankung reduzieren

Leider gibt es keine Empfehlungen, um dem Prostatakrebs vorzubeugen. Die Ergebnisse sind ungenügend oder die Daten sind über eine zu kurze Zeit erfasst worden, um für die verschiedenen untersuchten Agentien wie Selenium, Vitamin E, Aspirin oder 5-Alpha-Reduktasehemmer (Finasterid und Dutasterid) Schlussfolgerungen ziehen zu können. Sportliche Betätigung und eine ausgewogene Ernährung reduzieren allgemein das Risiko einer Krebserkrankung.

Auswirkungen auf die Lebensqualität

Die Lebensqualität wird abhängig von der Ausdehnung des Krebses, der Art der gewählten Behandlung, der oben erwähnten Nebenwirkungen und der Folgeschäden des Krebses unterschiedlich beeinträchtigt. Am häufigsten sind jedoch folgende Auswirkungen zu beobachten: Harnprobleme, einschliesslich Inkontinenz, Darmprobleme, Verlust der Libido und Erektionsstörungen, Hitzewallungen, Erschöpfung, Muskel-, Gelenk- und Knochenschmerzen, Anämie, Appetitlosigkeit, usw.

Unterstützungsgruppen bei Prostatakrebs

In jedem Kanton besteht eine Krebsliga. Im Wallis handelt es sich um die Krebsliga Wallis (KLW). In verschiedenen Kantonen existieren auch Unterstützungsgruppen, die in Zusammenarbeit mit der Krebsliga gegründet wurden. In Genf handelt es sich zum Beispiel um PROSCA, einen Unterstützungsverein spezifisch für den Prostatakrebs. Zudem bietet das Spital Sitten eine psychoonkologische Sprechstunde an.

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Über den Autor/die Autorin

Jessica Salamin

Collaboratrice communication - Spécialisée médias sociaux