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Zwangsstörungen (OCD) erkennen und behandeln

Troubles obsessionnels compulsifs - TOC

Eine Zwangsstörung (OCD) ist eine häufige psychische Erkrankung, welche sowohl die betroffene Person als auch ihr soziales Umfeld beeinträchtigt. Diese Störung betrifft in der Schweiz 2 bis 3 % der Bevölkerung. Die OCD stellen eine komplexe Realität dar. Sie werden oft spät diagnostiziert, können sich jedoch erheblich auf das tägliche Leben auswirken. Verschiedene Elemente sind für das Erkennen und die Behandlung dieser Störungen ausschlaggebend. Die Auslöser und die verschiedenen Arten der OCD müssen bekannt sein. Zudem muss man wissen, zu welchem Zeitpunkt ein Arzt aufgesucht werden sollte.
Erklärungen von Dr. Raphaël Voide, Abteilungsleiter Chefarzt der ambulanten Psychiatrie-Psychotherapie im Spitalzentrum des französischsprachigen Wallis.

Die Auslöser der OCD

Das Auftreten einer OCD lässt sich mit bio-psycho-sozialen Faktoren erklären: eine biologische Gefährdung, psychologische Faktoren und schwierige Ereignisse, die als Stressfaktoren wirken. Die OCD sind gekennzeichnet durch anhaltende unerwünschte und zwanghafte Gedanken. Dabei handelt es sich zum Beispiel um die Angst vor Schmutz oder Verunreinigung. Die betroffene Person kann sich auch davor fürchten, aggressiv zu werden, oder sie hat Zwangsvorstellungen in Bezug auf die Ordnung oder die Perfektion. All das führt zu einem Gefühl der Hilflosigkeit und zu Zwangshandlungen, mit denen die innere Anspannung gelöst werden soll.

Raphael Voide
Dr. Raphaël Voide, Abteilungsleiter Chefarzt der ambulanten Psychiatrie-Psychotherapie im Spitalzentrum des französischsprachigen Wallis

Die Folgen

Zwangsstörungen können sich unterschiedlich auf das Alltagsleben und das Wohlbefinden einer Person auswirken. Hier die häufigsten Auswirkungen:

  • Beeinträchtigung der Lebensqualität: Die OCD können die Lebensqualität einer Person erheblich beeinträchtigen. Sie wirken sich negativ auf die täglichen beruflichen und sozialen Tätigkeiten aus.
  • Angstzustände und emotionale Notsituationen: Personen mit OCD leiden aufgrund ihrer Zwangsvorstellungen und ihres zwanghaften Verhaltens oft unter intensiven Angstzuständen, emotionalen Notsituationen und Episoden innerer Anspannung.
  • Soziale Isolation: Die OCD können zu einer sozialen Isolation führen. Die betroffenen Personen vermeiden soziale Situationen oder soziale Interaktionen, die zum zwanghaften Verhalten führen oder sich mit ihren Zwangsvorstellungen überlagern. Ausserdem kann ein Gefühl der Scham diese Isolation noch verstärken, so dass die betroffenen Personen nur noch schwer darüber sprechen können.
  • Depression: Die OCD stehen oft in Zusammenhang mit affektiven Störungen wie Depressionen. Die ständigen Zwangsvorstellungen und Zwangshandlungen können zu einem Gefühl der Ohnmacht und der Hilflosigkeit führen und tragen so zum Entstehen einer Depression bei.
  • Verlust des Selbstvertrauens: Aufgrund der Symptome und der Unfähigkeit, ihre zwanghaften Gedanken und Verhaltensweisen zu kontrollieren, können Personen, die unter OCD leiden, ihr Selbstvertrauen verlieren.
  • Physische Folgen: In Zusammenhang mit Stress und Angstzuständen können die Zwangsrituale zu einer übermässigen Erschöpfung und zu körperlichen Verletzungen (wie Hautirritationen aufgrund des häufigen Händewaschens) führen.

Die verschiedenen Arten von OCD

Die OCD zeigen sich bei den betroffenen Personen in unterschiedlicher Art und Weise. Folgende Zwangsstörungen kommen am häufigsten vor:

  • Kontrollzwang: Personen, die unter dieser Art von OCD leiden, haben das ständige Bedürfnis zu überprüfen, ob z.B. Türen verschlossen und elektrische Geräte ausgeschaltet sind. Sie kontrollieren auch immer wieder die korrekte Ausführung von Routinearbeiten, um Unfälle zu verhindern. 
  • Reinigungszwang: Personen, die unter dieser Art von OCD leiden, haben eine übermässige Angst vor Schmutz, Keimen oder Infektionen. Das kann zu exzessiven Reinigungsritualen oder zum Vermeiden eines Aufenthalts in öffentlichen Räumen führen.
  • Ordnungs- und Organisationszwang: Die betroffenen Personen sind gezwungen, Gegenstände auf spezifische Art zu ordnen, zu organisieren oder aufzustellen, um ihre Angst zu überwinden.
  • Zwangsstörung, die mit der Angst vor einem Unglück verbunden ist: Diese Personen verspüren das Bedürfnis, bestimmte Aufgaben in einer bestimmten Reihenfolge zu erledigen oder eine geistige Handlung auszuführen, wie z. B. ein Wort eine bestimmte Anzahl von Malen zu wiederholen, um ein Unglück zu verhindern.
  • Zwangsgedanken in Zusammenhang mit der Angst, eine unerwünschte Tat zu begehen: Bei dieser Art von OCD besteht der Zwang aus aufdringlichen und unerwünschten Gedanken über Tabuthemen wie Gewalt oder Sexualität. Diese Personen haben z. B. Angst davor, eine aggressive Handlung gegenüber anderen zu begehen.

Wann soll man einen Arzt aufsuchen?

Es ist ausschlaggebend, die Vorzeichen der OCD rechtzeitig zu erkennen und möglichst bald eine Gesundheitsfachperson aufzusuchen. Wenn sich die zwanghaften Verhaltensweisen erheblich auf das Alltagslegen, die zwischenmenschlichen Beziehungen und die Arbeit auswirken, muss man sich helfen lassen. Andere Anzeichen wie eine grosse emotionale Notlage, Rituale, die viel Zeit erfordern, oder Schwierigkeiten, seine zwanghaften Gedanken zu kontrollieren, müssen ebenfalls berücksichtigt werden.

Mit der kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) können OCD oft wirksam behandelt werden. Sie hilft den betroffenen Personen, ihre Zwangsstörungen zu erkennen, zu verstehen und mit ihnen umzugehen. In gewissen Fällen können auch Medikamente verschrieben werden, um die Symptome zu lindern.

Zusammenfassend sind das frühe Erkennen der OCD, das Verständnis ihrer Auslöser und der Zugang zu einer geeigneten Behandlung entscheidend, um den betroffenen Personen zu helfen, in ihrem Alltag wieder ein Gefühl der Kontrolle und des Wohlbefindens zu finden. Falls Sie selbst oder Personen aus Ihrem Umfeld unter OCD leiden, zögern Sie nicht, sich helfen zu lassen.

Behandlung

Die Behandlung der Zwangsstörungen (OCD) beruht auf der Psychotherapie und der Pharmakotherapie.

Unter den verschiedenen Formen der Psychotherapie ermöglicht die kognitive Verhaltenstherapie am häufigsten eine Linderung der Symptome, indem sie folgende Elemente  kombiniert:

  • Verhaltenstherapie: In dieser Methode wird das Expositionsverfahren mit Reaktionsprävention, ausgerichtet auf das Verhalten, angewendet. Die betroffenen Personen begeben sich schrittweise aktiv in die Situation, die ihnen Angst macht oder die sie vermeiden. Als Beispiel kann hier das Öffnen einer Tür ohne Händewaschen angeführt werden. So lernen diese Personen, dass sie die Situation aushalten können und die erwarteten, negativen Folgen nicht eintreten. Mit diesem Ansatz soll im Gehirn die Verbindung zur Zwangsstörung getrennt werden. Die Wiederholung dieser Übungen trägt zur Reduktion der Symptome der OCD bei.
  • Kognitive Therapie: Dieser Ansatz befasst sich mit der Analyse der Zwangsgedanken. Die betroffene Person soll sich des exzessiven und irrationalen Charakters dieser Gedanken bewusst werden. In der Therapie wird versucht, diese Denkmuster zu erkennen, zu hinterfragen und alternative Denkweisen zu entwickeln.

Auf pharmakologischer Ebene bilden die Antidepressiva, die auf das Serotonin einwirken, bei der Behandlung die erste Wahl.

Mit der Kombination des psychotherapeutischen und des pharmakologischen Ansatzes lernen die von OCD betroffenen Personen, schrittweise ihre Symptome in den Griff zu bekommen und ihr Alltagsleben besser zu kontrollieren.

Über den Autor/die Autorin

Jessica Salamin

Collaboratrice communication - Spécialisée médias sociaux