Ein multidisziplinäres Team mit Mitarbeitenden aus den Bereichen ambulante Behandlung, Intensivpflege, Notfallstationen, Herzchirurgie mit Kardiotechnikerinnen und -technikern, Anästhesie und Kardiologie hat einen spezifischen Behandlungspfad geschaffen, um die ECMO (ExtraCorporeal Membrane Oxygenation) bei Patientinnen und Patienten einzusetzen, die einen Herzstillstand erlitten haben und gewissen vorbestimmten Kriterien entsprechen. Einige Mitglieder dieses Teams erklären uns ihre Vorgehensweise und ein Patient, die einen Herzstillstand überlebt hat, spricht in einem Video über seine Erfahrung.
In der Schweiz erleiden jedes Jahr zwischen 6’000 und 8’000 Personen einen Herz-Kreislauf-Stillstand. Trotz der Fortschritte der modernen Medizin ist die Überlebensrate immer noch sehr gering. Die Überlebenschancen dieser Patientinnen und Patienten können erhöht werden, wenn der Herzstillstand rasch erkannt wird. Entscheidend ist anschliessend die unverzügliche Durchführung einer korrekten Herzdruckmassage und, falls indiziert, der frühzeitige Einsatz eines Defibrillators. Diese lebensrettenden Massnahmen müssen wir alle kennen. «Die grundlegenden Gesten der Reanimation wie externe Herzdruckmassage und automatische Defibrillation sind massgebend, um das Hirn während des Herzstillstands mit genügend Sauerstoff zu versorgen und die Überlebenschancen zu erhöhen. Weiterführende Behandlungen (medizinische Betreuung, ECMO, Herzkatheterisierung, usw.) können nur erfolgen, wenn die grundlegende Reanimation und die Herzdruckmassage rasch durchgeführt worden sind und der Unterbruch der Blutversorgung des Hirns (auch «no-flow» genannt) nur kurze Zeit gedauert hat. Je länger die Sauerstoffversorgung des Hirns unterbrochen ist, desto grösser sind die Folgeschäden. Man nimmt an, dass die Überlebenschancen ohne grosse neurologische Folgeschäden jede Minute um rund 15 % abnehmen, wenn keine Herzdruckmassage durchgeführt wird», betont Dr. Adrien Gross, Leitender Arzt in der Abteilung Anästhesiologie und Reanimation des Spitals Sitten.
Extrakorporales Kreislaufsystem ECMO
Es kommt vor, dass das Herz trotz rascher und korrekter Reanimation nicht wieder zu schlagen beginnt. In diesem Fall kann die extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) eingesetzt werden. Sie ermöglicht die Aufrechterhaltung des Kreislaufs und der Sauerstoffversorgung der Patientin oder des Patienten bis zur Wiederherstellung der Herzfunktion. «Die ECMO wird durch unser Team der Herzchirurgie, bestehend aus Chirurgen, einem Kardiotechniker und einem Instrumentist oder einer Instrumentistin, direkt am Patientenbett angeschlossen.
Innerhalb von fünfzehn Minuten sind die Katheter auf der Höhe der Leistenfurche über die Oberschenkelarterie und -vene eingeführt und die Pumpe ersetzt das Herz und die Lungen. Die Kanülen (Schläuche), die in die Gefässe eingesetzt werden, ermöglichen den Abfluss eines Grossteils des sauerstoffarmen venösen Bluts. Diesem wird im Gerät wieder Sauerstoff zugefügt, so dass es anschliessend über die Arterie des Patienten oder der Patientin wieder in den Körper zurückgeführt werden kann. So wird wieder ein effizienter Blutkreislauf hergestellt.
Der Nutzen der ECMO beruht auf 2 Grundsätzen. Erstens können alle Organe (und insbesondere das Herz und das Hirn) rasch wieder optimal mit Blut versorgt werden, so dass sie geschützt sind und die Überlebenschancen der betroffenen Personen steigen. Zweitens wird das Herz über die Pumpe von seiner Arbeit entlastet, so dass es sich ausruhen und anschliessend rascher und besser erholen kann.
Je nach Zustand der Patientin oder des Patienten kann die ECMO zwischen einigen Tagen und einigen Wochen im Einsatz bleiben», erklärt Dr. Sébastien Colombier, Leitender Arzt in der Abteilung Herzchirurgie des Spitals Sitten.
Weshalb braucht es Kriterien für den Einsatz der ECMO?
Damit diese Technik der Patientin oder dem Patienten einen konkreten Nutzen verschafft, kann sie nur eingesetzt werden, wenn gewisse Voraussetzungen erfüllt sind. «Wenn das Opfer eines Herzstillstands nicht rasch eine effiziente Herzdruckmassage erhalten hat oder wenn die kardiopulmonale Reanimation zu lange gedauert hat, sind die neurologischen Folgeschäden irreversibel. In diesem Fall ist der Einsatz der ECMO nicht mehr sinnvoll. Auch andere Kriterien wie das Alter der Person und die Begleiterkrankungen werden berücksichtigt, um zu bestimmen, ob die ECMO eingesetzt werden kann», präzisiert Dr. Chantal Fux, Spitalärztin in der Abteilung Intensivmedizin des Spitals Sitten.
Bewährte Technik und Erfahrungsbericht
Das Spital Wallis setzt die ECMO bereits seit vielen Jahren ein, um verschiedene schwere Erkrankungen zu behandeln. Mit dieser Methode konnte übrigens das Leben mehrerer Patientinnen und Patienten gerettet werden, die nach einem dramatischen Erlebnis wie einem Herzstillstand wieder ein normales Lebe führen konnten. Herr Wyer ist einer dieser Patienten. Er hat im Jahr 2020 einen Herzstilltand erlitten und diese Technik hat ihm das Leben gerettet. Er erzählt uns von seinen Erfahrungen im Videoclip.
Lebensrettende Gesten
Mit diesem Behandlungspfad soll die Überlebenschance von Patientinnen und Patienten erhöht werden, die einen Herzstillstand erleiden und nicht auf die Erstmassnahmen reagieren. Sie würden sonst wahrscheinlich sterben.
«Auf jeden Fall muss die Überlebenskette koordiniert und rasch funktionieren, um die Überlebenschancen dieser Patientinnen und Patienten zu optimieren. Das rasche Erkennen eines Herz-Kreislauf-Stillstands, die Meldung an die Nummer 144 und die unverzügliche Umsetzung der ersten Reanimationsmassnahmen bleiben entscheidend. Dank der Sensibilisierung der ambulanten Teams (Ambulanzen und SMUR) kann der supervidierende Arzt der Notfallstation den Behandlungspfad aktivieren, wenn die strengen Kriterien eingehalten werden. Dann beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit, um möglichst rasch das Spital zu erreichen und den Opfern die besten Überlebenschancen zu bieten», präzisiert Dr. Tristan Deslarzes, Chefarzt der Notfallstation.
«Mit der Schaffung dieses Behandlungspfads und gut ausgebildeten Teams möchten wir die Überlebenschancen nach einem Herzstillstand erhöhen und der Bevölkerung technische und menschliche Leistungen anbieten, die mit denjenigen der grossen Universitätszentren vergleichbar sind», betont Dr. Juan José Garcia Martinez, Leitender Arzt in der Abteilung Intensivmedizin des Spitals Sitten.
* ExtraCorporeal Membrane Oxygenation