Milch, Brot, Eier, Erdnüsse, Schalentiere… gewisse Nahrungsmittel können uns krank machen. Sie sind nicht ungesund, und trotzdem entwickelt unser Körper beim Kontakt mit ihnen anormale und unverhältnismässige Reaktionen. Es gibt zwei Arten von unerwünschten Reaktionen auf Nahrungsmittel: die Allergie, von der 3 bis 4 % der Erwachsenen und 6 bis 8 % der Kinder betroffen sind, und die Intoleranz, welche rund 20 % der Bevölkerung betrifft. Wie kann man sie erkennen und unterscheiden?
Gespräch mit Dr. Lionel Arlettaz, Chefarzt der Abteilung Immunologie-Allergologie des Zentralinstituts der Spitäler im Spital Wallis.
Was ist eine Nahrungsmittelallergie?
Die Allergie ist eine aktive und übertriebene Reaktion des Körpers auf ein Nahrungsmittel. Normalerweise schützt uns das Immunsystem vor gefährlichen Krankheitserregern wie Bakterien oder Viren. Im Fall einer Allergie kommt es aufgrund eines Fehlers zu einer «Überreaktion» des Immunsystems auf ein Nahrungsmittel, welches eigentlich nicht gefährlich ist und bisher auch sehr gut verträglich sein konnte.
Eine Person ist nicht von Natur aus allergisch, sondern sie wird allergisch. Es ist deshalb durchaus möglich, dass man ein Nahrungsmittel während vielen Jahren problemlos zu sich nehmen kann und dass es plötzlich zu einer Reaktion kommt. Auch das Gegenteil kann vorkommen: eine Allergie kann mit der Zeit verschwinden. Dies ist insbesondere der Fall bei gewissen Allergien in der Kindheit (zum Beispiel Milch oder Eier).
Kinder sind am häufigsten auf Milch, Eier, Erdnüsse und Nüsse im Allgemeinen allergisch, während die Erwachsenen eher auf Schalentiere, aber auch auf Haselnüsse und Erdnüsse reagieren.
Welche Symptome löst eine Allergie aus?
Die Reaktionen treten direkt oder innerhalb einer Stunde nach der Einnahme des Nahrungsmittels auf. Es gibt jedoch Ausnahmen, wie gewisse Fleischallergien, deren Symptome 4 bis 5 Stunden nach dem Konsum auftreten können, oder wie die Weizenallergie, deren Symptome nach körperlicher Anstrengung auftreten.
Die Symptome und deren Intensität können bei jeder Person unterschiedlich ausfallen:
- Nesselfieber in Form von roten Hautflecken und Juckreiz
- Anschwellen der Lippen, des Gesichts oder von Gliedmassen
- Asthma
- Atemschwierigkeiten
- Verdauungsprobleme wie Bauchkrämpfe, Durchfall, Übelkeit, usw.
- Unwohlsein oder Bewusstlosigkeit
- anaphylaktischer Schock im Fall einer extremem Reaktion
Was ist eine Intoleranz?
Die Intoleranz betrifft nur die Verdauung. Der Körper hat Probleme mit der Aufnahme und der Verdauung gewisser Nahrungsmittel.
Die bekannteste Intoleranz ist die Laktoseintoleranz. Sie entsteht, weil das Enzym, welches die Verdauung des Milchzuckers ermöglicht, mit fortschreitendem Alter allmählich reduziert wird. Die Laktose wird deshalb vom Körper weder verdaut noch aufgenommen. Sie gelangt in den Dickdarm, wo sie von den dort vorhandenen Bakterien fermentiert wird, was zu Verdauungsstörungen führt. Viele Nahrungsmittel können ähnliche Symptome hervorrufen, welche je nach Menge der konsumierten Nahrungsmittel mehr oder weniger intensiv ausfallen.
Ein Beispiel ist die Glutenintoleranz ohne Zöliakie, die wahrscheinlich einer Intoleranz entspricht, die mit dem Zucker im Weizen in Zusammenhang steht. Sie wird fälschlicherweise oft mit einer Zöliakie in Verbindung gebracht (siehe unten).
Diese schlecht verträglichen Zuckerarten werden unter dem Begriff FODMAP zusammengefasst:
F = Fermentierbar (durch die Dickdarmbakterien rasch fermentiert)
O = Oligosaccharide (Fruktane und Galakto-Oligosaccharide oder GOS)
D = Disaccharide (Laktose)
M = Monosaccharide (Fruktoseüberschuss im Verhältnis zur Glukose)
A = And (und)
P = Polyole (Sorbit, Mannit, Xylit und Maltit)
Folgende Nahrungsmittel enthalten viel oder wenig FODMAP:
Die Zöliakie ist eine chronische Darmentzündung in Verbindung mit dem Konsum von Gluten. Diese Krankheit betrifft 1 % der Bevölkerung. Die Diagnose erfolgt durch den Nachweis von Antikörpern im Blut (IgA Anti-Transglutaminase) und durch eine Gastroskopie. Die Krankheit wird durch eine strenge Gluten-Diät behandelt.
Die Symptome einer Nahrungsmittelintoleranz betreffen das Verdauungssystem. Es handelt sich um:
- Gasansammlungen
- Blähungen
- Verstopfung
- Durchfall
- Bauchschmerzen
- Gefühl, den Stuhlgang nicht beenden zu können
- Dringendes Bedürfnis, den Darm zu entleeren
Ratschläge
- Bei einer Intoleranz ist es nicht nötig, das Nahrungsmittel strikt zu vermeiden. Es wird empfohlen, das Nahrungsmittel je nach Toleranz in geringen Mengen zu geniessen.
- Bei Reaktionen, die zu Atemproblemen oder starkem Juckreiz führen, ist eine Allergie zu vermuten. In diesem Fall wird empfohlen, sämtliche konsumierten Nahrungsmittel aufzulisten (benutzte Zutaten, detaillierte Rezepte, usw.) und diese bis zur Sprechstunde zu meiden.
«Ich reagiere schlecht auf ein Nahrungsmittel. Was kann ich tun?»
Vorerst ist es am besten, mit Ihren Hausarzt darüber zu sprechen. Er wird sie im Verdachtsfall an einen Facharzt weiterverweisen.
Die Diagnose erfolgt hauptsächlich über die Anamnese: Dauer zwischen der Einnahme des Nahrungsmittels und dem Auftreten der Symptome, Art des Nahrungsmittels (unterschiedliche Wahrscheinlichkeit je nach Nahrungsmittel). Anschliessend müssen Haut- und/oder Bluttests durchgeführt werden, um die Allergie zu bestätigen.
Zusätzliche Informationen unter: Allergologie und klinische Immunologie
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