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Die menschliche Dimension des Berufs MTRA in der Radioonkologie

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Die Arbeit der Radiologiefachperson (MTRA) sieht im Bereich der Diagnostik und im Bereich der Behandlung ganz anders aus. In der Radioonkologie ist die menschliche Dimension ebenso massgebend wie die Beherrschung der modernen Technologien. Die MTRA benötigt hier nicht nur Fachkenntnis, sondern auch eine aufmerksame Zuhörbereitschaft. Sie spielt bei der Betreuung der Patientinnen und Patienten während der Strahlentherapie, die mehrere Wochen oder Monate dauern kann, nämlich eine Schlüsselrolle. Gespräch mit Madhuri Rodari und Damian Olivera, MTRA in der Abteilung Radioonkologie des Spitalzentrums des französischsprachigen Wallis in Sitten.

Weshalb haben Sie beschlossen, den Beruf der Radiologiefachperson zu erlernen?
TRM - Madhuri Rodari
Madhuri Rodari, MTRA

Madhuri: «In der Arbeit als MTRA faszinierte mich schon immer der technische Aspekt. Ich will wissen, wie die Geräte, die Bewegungen der Wellen, die Kollimatoren oder die Strahlung funktionieren. Aber was mir in anderen Bereichen fehlte, war der menschliche Kontakt und die Möglichkeit, die Patienten langfristig zu betreuen. In der Radioonkologie stehen wir im Zentrum der Patientenversorgung. Dadurch kann ich meine technischen Kompetenzen mit meiner Freude an der Pflege und der Betreuung der Patienten verbinden. Wenn ich sehe, wie sich die Patienten erholen, wie sie zusätzliche Lebensjahre erhalten und wie sie die Schwierigkeiten überwinden, ist das für mich eine grosse Freude.»

Damian Olivera, MTRA

Damian: «Nach einer Ausbildung im kaufmännischen Bereich wandte ich mich dem Gesundheitswesen zu. Aufgrund meiner Erfahrung bei der Betreuung meines kranken Vaters verstand ich, welchen Schwierigkeiten die Patienten gegenüberstehen und wie man sie am besten unterstützen kann. Ich versuche immer, alle Patienten so zu behandeln, als ob es meine Familienangehörigen wären. Ich habe das Glück, einen anforderungsreichen, aber auch extrem dankbaren Beruf auszuüben. Die Unterstützung meiner Kollegen, die Möglichkeit, den Patienten zu helfen und die Zufriedenheit, wenn sie ihr Leben wieder meistern können, machen diesen Beruf für mich so wertvoll und bedeutend.»

Was ist der Unterschied als MTRA in der Diagnostik und in der Radioonkologie?

Madhuri: «In der Radioonkologie sind wir in einen Heilungsprozess oder in die Linderung von Symptomen involviert. Mit Hilfe unserer Kollegen ist die Diagnose in medizinischen bildgebenden Verfahren (MRI, Scanner oder andere Untersuchungen) bereits vorgängig erstellt worden. Unsere Arbeit beginnt, wenn der Patient für eine Behandlung zu uns kommt. Wir haben die Aufgabe, die Patienten zu versorgen oder die Schmerzen zu lindern. In der diagnostischen Radiologie ist der Patientenkontakt kürzer und oft auf wenige Begegnungen beschränkt. Bei uns werden die Patienten während mehrerer Wochen behandelt, was eine vertiefte Beziehung ermöglicht.»

Wie verläuft eine Strahlentherapie-Sitzung?

Madhuri: «Vor jeder Sitzung erstellen wir Kontrollbilder, um die Position des Patienten und seiner inneren Organe zu überprüfen. Mit diesem Mini-Scan, der täglich wiederholt wird, stellen wir sicher, dass die Therapie exakt an der richtigen Stelle verabreicht wird. Das setzt voraus, dass wir die radiologischen Bilder präzis lesen und analysieren können. Dies ermöglicht uns, bei Veränderungen der Anatomie Positionsveränderungen vorzunehmen.»

Damian: «In unserer Arbeit übernehmen wir eine grosse Verantwortung. Es ist ausschlaggebend, dass der Patient immer wieder ohne Abweichungen positioniert werden kann.  Um die bestmögliche Versorgung zu gewährleisten, müssen wir konzentriert und präzis arbeiten. Wenn ich einem Problem gegenüberstehe, zögere ich nicht, Kollegen oder andere Mitarbeitende um Hilfe zu bitten.»

Es gibt in Ihrer Arbeit neben dem technischen auch noch andere Aspekte. Können Sie uns mehr dazu sagen?

Madhuri: «Unsere Aufgabe beschränkt sich nicht auf die Beherrschung der Geräte. Der Patient sieht uns jeden Tag. Den Arzt sieht er nur einmal pro Woche oder bei spezifischen Bedürfnissen. Deshalb sind wir oft die ersten Ansprechpersonen, um auf ein Problem einzugehen oder den Patienten an die Pflegefachpersonen oder den Arzt zu verweisen. Wir arbeiten eng mit dem Pflegepersonal, den Medizinphysikern und den Radioonkologen zusammen. Es handelt sich also um einen Beruf mit multidisziplinärer Zusammenarbeit.»

Damian: «Da wir die Patienten während einer entscheidenden Zeit in ihrem Leben begleiten, ist es unentbehrlich, vertrauensvolle Beziehungen zu ihnen aufzubauen und sie zu beruhigen. Auch wenn der Kontext schwierig ist, versuche ich, positiv zu bleiben und ein wenig Freude zu vermitteln. Das kann nämlich den Unterschied zwischen einem guten und einem schlechten Tag machen.»

Die Patienten erleben die Strahlentherapie manchmal negativ. Wie können Sie Ihnen helfen, damit sie diese Behandlung besser ertragen?

Madhuri: «Wenn die Patienten zu uns kommen, sind sie oft beunruhigt und haben Angst. Das ist verständlich, denn die Radioonkologie ist immer noch relativ unbekannt. Vor 15 bis 20 Jahren waren die Nebenwirkungen viel schwerer und vielen Personen bleibt immer noch dieses negative Bild in Erinnerung. Oft wird unsere Arbeit mit der Onkologie oder der Chemotherapie in Verbindung gebracht, obwohl es sich um unterschiedliche Bereiche handelt. Manchmal entsteht bei den Patienten wegen dieser Verwechslung Stress. Aber nach der ersten Sitzung realisieren sie, dass das Gerät zwar ein wenig Lärm macht, sich aber einfach um sie herum dreht und sie keinerlei Schmerzen empfinden. Das beruhigt sie.»

Damian: «Der Beginn einer Behandlung ist für das Vertrauen und das Verständnis des Patienten ausschlaggebend. Auch wenn wir manchmal an anderen Geräten arbeiten, versuche ich immer, meinen Kollegen sämtliche Informationen zu übermitteln, damit die Kontinuität und die Ruhe während der Therapie gewährleistet sind.»

Wie begleiten Sie ängstliche Patienten?

Madhuri: «Wir beschreiben ihnen, wie das Gerät funktioniert und welche akustischen und visuellen Signale sie wahrnehmen werden. So versuchen wir, sie zu beruhigen. Aus Gründen des Strahlenschutzes können sich die MTRA nicht in der Nähe der Patienten aufhalten. Aber wir sehen und hören sie während der Bestrahlung. Bei gewissen Behandlungen wie zum Beispiel der Bestrahlung der Brust bleiben wir in ständigem Kontakt mit der Patientin, um sie auch in Bezug auf die Atmung anzuleiten.»

Wie verläuft die Behandlung für einen Patienten mit Raumangst?

Madhuri: «Bei Patienten  mit Angst vor engen Räumen versuchen wir, geschlossene Geräte zu vermeiden. Im Allgemeinen genügt das, um sie zu beruhigen. Einige Kollegen MTRA sind auch in Hypnose ausgebildet, was in solchen Situationen sehr hilfreich ist. Wenn es notwendig ist, verabreichen wir den Patienten auf Verordnung ein geeignetes Medikament.»

Quel est le secret pour préserver la qualité de la relation avec les patients, malgré des traitements qui s’enchaînent toWie ist trotz der Behandlungen, die alle 15 Minuten wechseln, eine vertiefte Beziehung zu den Patienten möglich?utes les 15 minutes ?

Madhuri: «Wir möchten gerne mehr Zeit mit unseren Patienten verbringen, aber aufgrund unserer Arbeit ist das schwierig. Trotzdem ist es äusserst wichtig, die emotionalen Bedürfnisse der Patienten aufmerksam zu verfolgen. Glücklicherweise sehen wir uns jeden Tag, so dass im Verlauf der Zeit trotzdem eine Beziehung aufgebaut werden kann. Wenn ein Patient das Bedürfnis hat zu sprechen, nehmen wir uns Zeit, um ihm zuzuhören, auch wenn es dadurch zu Verspätungen kommt. Im Verlauf des Tages holen wir diese Zeit wieder auf. Die in unserer Planung “verlorene” Zeit ist schliesslich in der Beziehung zum Patienten eine “gewonnene” Zeit.»

Die Strahlentherapie fällt oft mit dem Abschluss eines langen therapeutischen Verlaufs zusammen. Wie reagieren die Patienten, wenn ihre letzte Sitzung naht?

Madhuri: «Jeder Patient ist einmalig und die Erfahrungen sind unterschiedlich. Mit der Zeit gewöhnen sich die Patienten an diese täglichen Behandlungen. Für viele von ihnen sind sie sogar zu einer beruhigenden Routine geworden. Aber nach der letzten Sitzung wird dieser Rhythmus unvermittelt unterbrochen, was oft eine gewisse Angst auslöst. Diese fehlende Routine kann die Patienten destabilisieren. Manchmal fühlen sie eine gewisse Leere, da diese tägliche Behandlung für ihre Genesung nicht mehr stattfindet. Bei der Therapie handelt sich um einen intensiven emotionalen und physischen Prozess und viele Patienten wollen den Abschluss mit einem guten Essen oder auf eine andere Art feiern. Es ist für sie ein wichtiger Moment, da er oft das Ende eines langen Kampfes bedeutet.»

Welche Erfahrung war für Sie im Rahmen Ihrer Arbeit die schwierigste?

Damian: «Eine besonders schwierige Erfahrung war für mich die Situation einer Patientin mit fortgeschrittenem Brustkrebs und starken Blutungen. Sie benötigte eine palliative Strahlentherapie. Aufgrund der Gewebenekrosen war für mich diese Versorgung besonders schwierig und die Behandlung belastete mich stark. Trotzdem konzentrierte ich mich auf meine Arbeit und auf das Ziel, die Schmerzen dieser Patientin zu lindern. Anschliessend sprach ich mit meinen Kollegen über diese Erfahrung, um mich emotional zu entlasten.»

Wie verarbeiten Sie emotional die tägliche Konfrontation mit der Krankheit und dem Leiden der Patienten?

Damian: «Es ist nicht immer einfach, mitfühlend zu sein und gleichzeitig eine gewisse professionelle Distanz einzuhalten. Ich habe gelernt, mich nach der Arbeit mit Sport oder anderen Aktivitäten zu entspannen. Auch versuche ich, immer positiv zu bleiben und Möglichkeiten zum Stressabbau zu finden. Das Leben ist wertvoll. Diese Perspektive hilft mir, jeden Moment zu schätzen und möglichst viel vom Leben zu profitieren. Mit der Arbeit in diesem Bereich habe ich gelernt, jeden Augenblick bewusst zu leben und mit dem, was ich habe, zufrieden zu sein.»

Haben Sie eine noch schöne Geschichte für uns?

Madhuri: «Im Verlauf der Strahlentherapie-Sitzungen öffnen sich die Patienten allmählich. Sie sprechen mit uns über ihren Alltag, ihre Sorgen und manchmal auch über ihre Träume. Einmal vertraute mir eine Patientin an, dass sie vom Motorradfahren träume. Sie machte sich jedoch Sorgen, da sie eher klein war. Ich ermutigte sie immer wieder, den Schritt zu wagen. Und beim Abschluss ihrer Behandlung teilte sie mir mit, dass sie ein Motorrad gekauft und auch die Fahrprüfung bestanden habe. Solche Augenblicke sind sehr wertvoll. Sie verleihen unserem Beruf einen tiefen Sinn.»


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Nützliche Links:
Radio-Onkologie Spital Sitten – Spital Wallis

Über den Autor/die Autorin

Francesca Genini-Ongaro

Collaboratrice spécialisée en communication