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Rettungssanitäter: hinter den Kulissen eines Berufs mit zahlreichen Facetten

Die Rettungssanitäter werden noch sehr oft mit Sanitätern oder Chauffeuren verglichen. Es handelt sich jedoch um einen eigenständigen Beruf im Bereich des Gesundheitswesens. Auch wenn die Kompetenzen eines Rettungssanitäters historisch gesehen eher im körperlichen Bereich lagen, benötigt er heute viel breitere Kenntnisse, die Technik, Medizin und zwischenmenschliche Beziehungen beinhalten.
Gespräch mit Jean-François Pillet, Chef des Ambulanzdienstes des Spital Wallis, und Marc Solioz, Betriebsleiter:

Woraus besteht die Arbeit eines Rettungssanitäters? Wie sieht ein typischer Arbeitstag aus?

Die Arbeit eines Rettungssanitäters ist sehr zufallsbedingt und abwechslungsreich. Er arbeitet in einem Zweierteam während 12 Stunden pro Tag, entweder von 7 bis 19 Uhr oder von 19 bis 7 Uhr. 

Jean-François Pillet, Chef des Ambulanzdienstes des Spital Wallis

Ein typischer Arbeitstag beinhaltet für den Ambulanzdienst rund 13 Notfallfahrten zwischen den verschiedenen Basen. Im Winter verdoppelt sich die Arbeit mit bis zu 27 Fahrten in Spitzenzeiten. In jeder Jahreszeit kommt es zu verschiedenen Transporten aufgrund von Unfällen und Krankheiten, aber im Winter ist die Arbeitsbelastung im Allgemeinen sehr hoch: Verkehrsunfälle oder Stürze aufgrund von verschneiten oder schlecht unterhaltenen Strassen, Skiunfälle, Grippe, Bronchopneumie, vermehrte Hirnschläge, usw.

Die Realität vor Ort ist nicht unbedingt so, wie sie im Fernsehen gezeigt wird. Der Arbeitstag eines Rettungssanitäters besteht nicht nur aus gesundheitlichen Notfallinterventionen. Wir vergleichen den Beruf gerne mit einem Schweizermesser, da das Pflichtenheft so vielfältig ist. Der Rettungssanitäter:

  • kümmert sich um Patienten in einer Notlage, gewährleistet die Behandlung vor dem Eintritt ins Spital, führt medizinische Handlungen aus und verabreicht Notfallmedikamente,
  • transportiert und transferiert kranke und verunfallte Personen jeden Alters, die sich nicht mehr selbstständig fortbewegen können,
  • gewährleistet den Bereitschaftsdienst der Sanität bei Veranstaltungen (Sportanlässe, Konzerte, usw.),
  • überprüft den Zustand der Fahrzeuge, des Materials, der Ausrüstung, der Lagerbestände und der Apotheke. Die Fahrzeuge sind ständig in Betrieb und müssen deshalb immer einsatzfähig sein,
  • reinigt und wartet die Fahrzeuge und die Lokalitäten,
  • führt administrative Arbeiten aus, insbesondere die Fakturierung und die Interventionsberichte.

Wie verläuft eine Notfallintervention?

Wenn Sie die Nummer 144 anrufen, stellt Ihnen ein Einsatzplaner anhand einer Checkliste einige Fragen, damit er weiss, welches Mittel er einsetzen muss. Das kann eine Ambulanz, aber auch ein SMUR oder ein first responder (für die Erste Hilfe ausgebildete Freiwillige) sein, um die Erstversorgung des Patienten zu übernehmen. Dazu braucht es rund 2-3- Minuten. Anschliessend kommt, je nach Dringlichkeit, der Rettungssanitäter zum Einsatz…

Auf unseren Telefonen erhalten wir einen Alarm mit ersten Informationen, wie zum Beispiel: Strasse … in Martinach, Verkehrsunfall, Motorrad, 1 Verletzter, Rückenschmerzen, sowie mit einem Primärcode (P1, P2 oder P3). 

  • P1: entspricht einem Notfall mit der Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung lebenswichtiger Funktionen. Blaulicht und Sirenen sind deshalb notwendig und der Start muss innerhalb von 3 Minuten erfolgen.
  • P2: entspricht einem Notfall ohne Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung lebenswichtiger Funktionen. Der Start muss rasch erfolgen, erfordert jedoch weder Blaulicht noch Sirenen.
  • P3: in diesem Fall ist der Einsatz geplant. Der Zeitpunkt des Transports ist im Allgemeinen abgesprochen.
Marc Solioz,
Betriebsleiter
des Spital Wallis

Wir arbeiten mit 2 Fristen: mit dem Start, den wir auf unseren Tablets in den Ambulanzen quittieren, und mit der Ankunft (Antwortzeit), die innerhalb von 20 Minuten erfolgen muss. Diese Antwortzeit ist eine Walliser Besonderheit, bedingt durch die Topografie unseres Kantons. In anderen Kantonen beträgt sie 15 Minuten.

Sobald wir den Patienten übernommen haben, fahren wir mit ihm zum geeigneten Ort, zum Beispiel zur Notfallstation. Mit Hilfe des medizinisch-pflegerischen Personals wird der Patient auf einen Wagen gelegt und der Rettungssanitäter und das medizinisch-pflegerische Personal tauschen die Informationen aus: erfolgte Pflege und medizinische Handlungen, Anamnese der Situation, Vitalfunktionen, usw.

Nach der Rückkehr in die Basis wird das Fahrzeug wieder für den nächsten Einsatz vorbereitet.

Über welche Eigenschaften muss ein Rettungssanitäter verfügen?

Entscheidend ist der Umgang mit Stress und Emotionen. In diesem Beruf ist man innert kurzer Zeit mit verschiedensten Emotionen konfrontiert. Auf eine sehr hektische Intervention kann ein ruhigerer Einsatz folgen, und so weiter. Eine Geburt ist zum Beispiel ein wunderschöner Moment. Der Einsatz ist aber sehr stressig, weil wir nur wenige Geburten erleben (2-3 pro Jahr). Ausserdem ist die Ambulanz nicht der beste Ort für eine solche Versorgung, was zu zusätzlichem Stress führt. Am gleichen Tag gelangen wir dann zum Beispiel zum Einsatz, um einer älteren Dame zu helfen, die gestürzt ist und unter Hüftschmerzen leidet und anschliessend kann es wieder zu einer hektischeren Intervention wie einer Reanimation nach einem Herzstillstand kommen.

Der Umgang mit den unterschiedlichen Emotionen ist in diesem Beruf sehr schwierig. Dieses Thema muss deshalb offen angesprochen werden. Man muss wissen, wie man den Stress verarbeiten kann, und einen Ausgleich zum Beruf finden wie Sport, Privatleben, usw.

Man muss auch noch über andere Eigenschaften verfügen: eine gute Organisation, Voraussicht, gegenseitige Hilfe und Zusammenarbeit mit den Kollegen und den externen Partnern. Vor allem aber muss man den Pflegebereich lieben und gerne anderen Menschen helfen.

Der Ambulanzdienst des Spital Wallis in Zahlen…

– 3 Basen: Martinach, Sembrancher und Siders
– 20 Minuten Antwortzeit
– 1’315 km2 Einsatzgebiet
– 5’000 Notfalleinsätze pro Jahr
– 1500 Transfers zwischen Spitälern 
– 15 betreute Studenten pro Jahr
– 10 Fahrzeuge
– 65 Mitarbeitende
– Mehr als 100 Tage Bereitschaftsdienst der Sanität pro Jahr
– Eine Bevölkerung von bis zu 200’000 Personen in der Hochsaison
– 350’000 km Strecke pro Jahr
– Während des gesamten Jahr Zusammenarbeit mit der Nummer 144

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Über den Autor/die Autorin

Malika Storelli

Collaboratrice spécialisée en communication

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