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« Seit einigen Monaten habe ich ein neues Leben »

Die Walliserin Tamara Lopez litt jahrelang unter den Auswirkungen des Tourette-Syndroms. Seitdem sie sich in Bern einen «Hirnschrittmacher» implantieren liess, sind ihre Ticks fast vollständig verschwunden. Seit dem Beginn ihrer Krankheit ist sie bei Prof. Joseph-André Ghika im Spital Sitten in Behandlung. Hier wird das Gerät in ihrem Hirn jede Woche neu justiert. Die Geschichte einer effizienten Zusammenarbeit zwischen dem Spital Wallis und dem Berner Inselspital.

«Was ich von Professor Ghika halte? Er ist ganz einfach phänomenal und ich weiss gar nicht, wie ich ihm danken kann!» Tamara Lopez geizt nicht mit Lob, denn seit fast 20 Jahren leidet sie am Tourette-Syndrom und lange Zeit sah es so aus, als gäbe es keine Hilfe für sie. «Ich habe Tourette, seitdem ich 18 bin… heute bin ich 37. Während der ersten 18 Jahre meiner Krankheit ging ich durch die Hölle. Wir versuchten es mit 13 Neuroleptika in verschiedenen Zusammensetzungen und Dosierungen, jedoch ohne wirklichen Erfolg.»

Man hört es der jungen Frau an: Es waren schwierige Jahre. Gerade als sie mit 18 Jahren ihre Lehre abgeschlossen hatte, begannen sich die ersten Symptome bemerkbar zu machen. Diese zeigen sich in unkontrollierbaren Zuckungen, Schreien und Äusserungen, oft bestehend aus Fluchwörtern. «Ich kopierte Geräusche aus der Umgebung, zum Beispiel lautes Gelächter…», erzählt Tamara. «Das Schlimme ist, dass man sich dessen voll und ganz bewusst ist. Man spürt ein paar Sekunden vorher, dass es passieren wird, und kann es doch nicht verhindern. Das war wirklich kein Leben.»

«Wieso zögern Sie?»
Seit Oktober 2016 ist alles anders im Leben von Tamara. «Mein Vater hatte mir von einer möglichen Operation erzählt, aber ich hatte mich irgendwie nie richtig damit befasst. Und wie es der Zufall will: Genau an dem Tag, an dem ich Prof. Ghika darauf ansprechen wollte, kam dieser mir um einige Sekunden zuvor und begann selber, von dieser OP-Möglichkeit zu erzählen. Das war im April 2016. Zuerst zögerte ich. Im Juni stand dann ein Gesprächstermin mit Prof. Claudio Pollo im Inselspital in Bern an. Er fragte mich, ob es mir gut gehe. Ich sagte offen und ehrlich ‚nein!‘ und dann fragte er mich, warum ich noch zögere…»

Tamara Lopez gibt sich ein paar Tage Bedenkzeit, bevor sie sich für die Operation entscheidet. «Danach ging alles sehr schnell… Prof. Ghika erklärte mir alle Details und organisierte die Tests, die OP und den Spitalaufenthalt. Ich trat am 3. Oktober 2016 ins Spital ein, wurde am 12. Oktober operiert und am 21. Oktober entlassen.» Das Abschneiden ihrer schönen langen Haare war zwar eine tränenreiche Angelegenheit, doch die OP verläuft schlussendlich gut… auch wenn es am Anfang noch Zweifel gab. «Kaum war ich erwacht, entfuhr mir ein ungewolltes Geräusch… Ich weinte, weil ich dachte, dass die OP umsonst war», erzählt sie sichtlich bewegt.

Stimulator jede Woche neu justiert
Seit der OP geht sie jede Woche ins Spital Sitten, wo Prof. Ghika die Feinjustierung des implantierten Geräts vornimmt. Dieses befindet sich in der Schädelhöhle, die Batterien jedoch auf Brusthöhe. Mit der tiefen Hirnstimulation – umgangssprachlich auch «Hirnschrittmacher» genannt – werden elektrische Impulse an das Hirn gesendet, deren Intensität und Rhythmus variabel einstellbar sind. «Es gibt Hunderte von Einstellmöglichkeiten und wir suchen momentan die beste dieser Möglichkeiten. In den ersten 6 Monaten nach der OP hatte ich wirklich grosse Zweifel, denn ich bemerkte kaum eine Verbesserung. Heute würde ich sagen, dass es mir zu 90% besser geht als früher. Und Prof. Ghika ist wirklich super. Er kümmert sich so gut um mich, dass ich manchmal das Gefühl habe, ich sei seine einzige Patientin. Es ist ganz klar ein Vorteil für mich, dass er in Sitten tätig ist, sonst müsste ich für diese Justierungen jedes Mal nach Bern.»

Auch wenn Prof. Ghika und Tamara Lopez noch nach der optimalen Einstellung suchen, kann man bereits heute sagen, dass die OP in Bern und die Nachfolgebehandlung in Sitten einen grossen positiven Einfluss auf den Alltag der Patientin haben. «Es hat mein Leben verändert», sagt sie überzeugt. «Heute gehe ich ohne Probleme auswärts einen Kaffee trinken, etwas essen oder einkaufen. Früher hatte ich immer Angst vor meinen unkontrollierten Äusserungen und den Reaktionen der Leute. Zum Glück waren meine Eltern, mein Bruder und meine Schwägerin immer für mich da. Niemand kann sich wirklich vorstellen, was man da durchmacht…»

  • Hier finden Sie einen Beitrag über Tamara Lopez, der in der Sendung «36.9» des Westschweizer Fernsehens RTS ausgestrahlt wurde: http://hvs.link/tamara-lopez
  • Weitere Informationen zum Tourette-Syndrom: www.tourette.ch

Ein neurologisches Syndrom
Das Krankheitsbild, das durch unwillkürliche Bewegungen und sprachliche Äusserungen gekennzeichnet ist, wurde erstmals im Jahr 1885 vom französischen Arzt Georges Gilles de la Tourette beschrieben. Es beinhaltet wiederkehrende, plötzliche Zuckungen und Laute («Ticks»). Wenn solche Symptome auftreten, muss der behandelnde Arzt seinen Patienten unbedingt einem Neurologen zuweisen, da es sich um ein neurologisches (nervliches) Leiden handelt. Die Krankheit hat eine starke erbliche Komponente und wird durch psychologische Faktoren verstärkt (z.B. intensive Emotionen, Ärger, Stress).

Operation noch eher selten
Die Blicke der anderen, intolerante Reaktionen, Verspottungen… Tourette-Betroffene haben es oft nicht einfach und werden ausgegrenzt. «Ich kann die Blicke der Leute förmlich spüren», sagt Tamara Lopez. «Auch wenn es oft nicht böse gemeint ist, trifft es mich doch, wenn mich die Leute angaffen oder über mich tuscheln.»

Der Eingriff, der bei Tamara vorgenommen wurde, heisst «tiefe Hirnstimulation». Tamara ist erst die zweite Person, die man in Bern so operiert hat. Weltweit gibt es bisher nur etwa 120 Personen, die eine ähnliche Operation hatten.

Über den Autor/die Autorin

Joakim Faiss

Journaliste - Collaborateur spécialisé en communication

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