Die Transposition der Gebärmutter in den oberen Teil des Bauchs ist ein wichtiger Fortschritt in Bezug auf den Erhalt der Fruchtbarkeit bei jungen Frauen, die unter einem Enddarmkrebs leiden und bei denen eine Strahlentherapie im Beckenbereich durchgeführt werden muss. Dieses neue Verfahren wurde weltweit seit 2017 rund 20-mal eingesetzt. Im März 2023 wurde es erstmals in der Schweiz von einem Team der Chirurgie und der Gynäkologie des Spitalzentrums des französischsprachigen Wallis (CHVR) in enger Zusammenarbeit zwischen Prof. Daniela Huber, Abteilungsleiterin Chefärztin der Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe des CHVR, und Dr. Ian Fournier, Leitender Arzt der Abteilung Chirurgie des CHVR, durchgeführt.
Strahlentherapie im Beckenbereich und Unfruchtbarkeit
Die Strahlentherapie im Beckenbereich ist eine übliche Behandlung mit guten Heilungschancen für Patientinnen mit Enddarmkrebs. Allerdings hat diese Technik bleibende Folgen für die Fruchtbarkeit der Frauen, da für eine wirksame Therapie hohe Strahlendosen notwendig sind (rund 50 Gy).
Leider ertragen die Eierstöcke nicht mehr als 15 Gy und für den Uterus sind 30 Gy die oberste Grenze. Die Bestrahlung mit hohen Dosen kann deshalb eine frühzeitige Menopause auslösen und die Funktion des Endometriums beeinträchtigen, was zu Unfruchtbarkeit führt.
Prof. Daniela Huber, Abteilungsleiterin Chefärztin der Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe des CHVR.
Die Fruchtbarkeit von Krebspatientinnen erhalten
Um die Fruchtbarkeit von jungen Patientinnen mit Enddarmkrebs zu erhalten, die eine Strahlentherapie im Beckenbereich benötigen, besteht jetzt die Möglichkeit einer laparoskopischen Transposition (Chirurgie ohne grossen Bauchschnitt) der Gebärmutter und der Eierstöcke. « Bei diesem Verfahren werden die Gebärmutter und die Eierstöcke vorübergehend ausserhalb des Bestrahlungsbereichs im oberen Teil des Bauchs gelagert », erklärt Prof. Daniela Huber. « Nach Abschluss der Bestrahlung werden die Gebärmutter und die Eierstöcke wieder an ihrer normalen Position im Becken platziert. »
Dieser neue Eingriff wurde in der Schweiz erstmals im März 2023 an einer jungen Frau mit Enddarmkrebs durchgeführt. Er eröffnet neue therapeutische Perspektiven zum Erhalt der Fruchtbarkeit.
« Die höhere Lebenserwartung in Zusammenhang mit einer besseren Behandlung des Enddarmkrebses führt dazu, dass wir den jungen Patientinnen im gebärfähigen Alter eine Versorgung anbieten, mit der die Probleme in Verbindung mit der Fruchtbarkeit antizipiert werden können », präzisiert Dr. Ian Fournier, Leitender Arzt der Abteilung Chirurgie des Spitalzentrums des französischsprachigen Wallis (CHVR).
Eine ähnliche Technik wie bei der Gebärmutterentfernung
Obwohl es neu ist, stützt sich dieses Verfahren auf Techniken ab, die den Gynäkologen und Onkologen bestens bekannt sind. Sie werden bei der Hysterektomie (teilweise oder vollständige Entfernung der Gebärmutter) und der Transposition der Eierstöcke eingesetzt. Die Transposition der Eierstöcke wird seit mehreren Jahren erfolgreich bei Patientinnen mit Gebärmutterhals- oder Enddarmkrebs durchgeführt, die eine Strahlentherapie des Beckenbereichs benötigen. Damit kann eine strahleninduzierte Menopause verhindert werden. «Die Alternative zu einer Transposition der Gebärmutter ist eine Transposition der Eierstöcke. Dadurch wird die Gebärmutter bestrahlt und dies führt zu Unfruchtbarkeit», erläutert die Gynäkologin mit Schwerpunkt Onkologie. «Wenn der Krebs lokalisiert und kontrolliert ist, spricht das Verhältnis zwischen Nutzen und Risiko für eine Transposition der Gebärmutter, um die Fruchtbarkeit zu erhalten. Der Entscheid wird immer in Absprache mit der Patientin und anderen Fachärzten wie den Onkologen und Viszeralchirurgen des Spital Wallis sowie den Spezialistinnen und Spezialisten des Réseau Romand Cancer et fertilité getroffen», fügt die Fachärztin an.
Isoliert betrachtet, stellen die einzelnen chirurgischen Handgriffe keine Herausforderung dar. Es ist die ständige Koordination zwischen den medizinischen und chirurgischen Teams, die eine koordinierte Versorgung ermöglicht, ohne die Ziele der radikalen Behandlung des Krebses und den Erhalt der Fruchtbarkeit zu gefährden.
Dr. Ian Fournier, Leitender Arzt der Abteilung Chirurgie des Spitalzentrums des französischsprachigen Wallis (CHVR)
Ein Team von erfahrenen und eng zusammenarbeitenden Chirurgen im Dienste der Patientinnen
Das Chirurgenteam, das in Sitten erstmals in der Schweiz eine Transposition der Gebärmutter durchführte, besteht aus erfahrenen Fachpersonen aus den Bereichen Gynäkologie, Onkologie und Viszeralchirurgie. Sie arbeiten schon lange gemeinsam im Operationstrakt. «Ich hatte das Glück, mit einem eng zusammenarbeitenden und effizienten multidisziplinären Team zu arbeiten, dem ich voll vertrauen konnte. Ich bin sehr froh, dass unsere Patientinnen von diesen technischen und menschlichen Kompetenzen profitieren können», betont Prof. Huber.
Das Team, das diese herausragende Arbeit leistete, setzte alles daran, um den Wunsch der jungen Patientin zu erfüllen, die sich in den kommenden Jahren Kinder wünschte.
Sorgfältig ausgewählte Patientinnen
Es ist zwar erwiesen, dass die Transposition der Gebärmutter eine interessante Option für den Erhalt der Fruchtbarkeit darstellt. Prof. Huber betont jedoch die Vorsichtsmassnahmen, die eingehalten werden müssen: « Die Patientinnen, die für dieses Verfahren in Frage kommen, müssen sorgfältig ausgewählt werden, um zu verhindern, dass sich Tumorzellen nach oben in den Bauch verlagern und von der Strahlung nicht mehr erfasst werden ».
«Glücklicherweise ist der Enddarmkrebs bei jungen Patientinnen im gebärfähigen Alter äusserst selten, so dass der Kreis der Frauen, denen eine solche Operation angeboten werden kann, schon im Voraus eingegrenzt ist», erklärt Dr. Ian Fournier. «Anschliessend muss das lokale Stadium des Krebses möglichst präzis erfasst werden, um kein Risiko einzugehen. Wir können bei der onkologischen Behandlung keine Kompromisse eingehen und unsere Patientinnen einem erhöhten Risiko für einen Rückfall aussetzen.»
« Es erfüllt uns mit Stolz, dass wir unserer Patientin unter höchster onkologischer Sicherheit eine zusätzliche Option anbieten konnten. Unsere chirurgische Erfahrung und unsere Zusammenarbeit im Operationstrakt in anderen Bereichen ermöglichten uns die Durchführung dieses Eingriffs unter bestmöglichen Bedingungen», fügt Prof. Huber an.
Die nächsten Schritte: Betreuung während und nach der Schwangerschaft
Die nächsten Schritte für die Patientin umfassen eine regelmässige onkologische Betreuung durch das Team Viszeralchirurgie und Onkologie sowie eine Überwachung der Fruchtbarkeit durch das Team Gynäkologie bis zur Empfängnis und darüber hinaus. Zusätzliche Studien werden nötig sein, um die Sicherheit und Effizienz des Verfahrens zu evaluieren. Aber die Ergebnisse sind bereits vielversprechend. «Diese im Jahr 2017 beschriebene Technik wurde weltweit bei rund 20 Patientinnen eingesetzt. Zwei von ihnen haben bereits ein Kind und eine dritte ist im 3. Quartal schwanger. Diese Ergebnisse sind vielversprechend», freut sich die Gynäkologin.
Der Verlauf der verschiedenen Operationen
Die erste Operation bezweckte vorerst die Stadieneinteilung des Enddarmkrebses (damit wird festgestellt, in welchem Entwicklungsstadium sich der Enddarmkrebs befindet). Anschliessend wurde die Gebärmutter der Patientin ausserhalb des Beckens platziert, um sie vor der Strahlung zu schützen. Diese Präventionsmassnahme war notwendig, da die Strahlentherapie die Fruchtbarkeit beeinträchtigen kann. Die laparoskopisch durchgeführte Operation dauerte eine Stunde und konnte erfolgreich abgeschlossen werden, da die Gebärmutter intakt und gut durchblutet war.
Anschliessend erhielt die Patientin während fünf Wochen ein Standardprogramm mit Chemotherapie und Strahlentherapie, um den Tumor auf der Höhe des Rektums zu reduzieren. Nach Abschluss der Strahlentherapie ist aufgrund der «Wirkung der Strahlen» eine gewisse Frist einzuhalten, bevor ein weiterer Eingriff durchgeführt werden kann. Das gesamte Behandlungsprogramm vor der Entfernung des Enddarmtumors erstreckt sich über einen Zeitraum von rund 6 Monaten. Die Versorgung einer solchen Erkrankung ist also äusserst komplex.
Die zweite Operation war komplexer. Der Enddarmtumor musste entfernt werden und gleichzeitig war es wichtig, die Funktion des Enddarms als Speicher zu erhalten, damit die Darmentleerung weiterhin auf natürlichem Weg erfolgen kann. Dieser Eingriff dauerte rund viereinhalb Stunden und wurde über zwei verschiedene Zugänge durchgeführt: transanal (TaTME, also durch den Anus) und laparoskopisch (durch den Bauch). Die Darmkontinuität konnte erhalten werden und der Schliessmuskel blieb intakt. So sollte die Stuhlentleerung nach einer beckenspezifischen Physiotherapie weiterhin auf natürlichem Weg möglich sein. Das ist eine grosse Herausforderung, wenn der Krebs sehr tief (in der Nähe des Anus) lokalisiert ist. Nach Abschluss des Eingriffs beim Enddarm konnte die Gebärmutter wieder an ihrer Position im Becken platziert werden. Mit einer neuen Naht zwischen der Vagina und der Gebärmutter wird die Funktionalität sichergestellt.
Bei solchen Verfahren ist es üblich, die Verbindung zwischen dem Dickdarm und dem Teil oberhalb des Anus mit einer Ileostomie (provisorischer künstlicher Darmausgang) zu «schützen».
Die dritte Operation bestand im Verschliessen der Ileostomie und der Wiederverbindung mit dem Dünndarm. Dieser Eingriff dauerte eine Stunde und ermöglichte die Wiederherstellung der normalen Darmentleerung über den Anus. Der Eingriff konnte nach besonders kurzer Zeit durchgeführt werden, da die zweite Operation mit keinerlei Komplikationen verbunden war.
Insgesamt mussten bei der Patientin drei Operationen durchgeführt werden, um den Krebs zu besiegen und die Fruchtbarkeit zu erhalten.
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