Prävention & Beratung

Epilepsie und Schule: wie ist das zu vereinbaren?

In der Schweiz leiden rund 20’000 Kinder an Epilepsie. Hunderte von ihnen beginnen jedes Jahr ihre obligatorische Schulzeit. Obwohl ein Kind mit Epilepsie durchaus ein normales Leben führt, kann sich diese Krankheit unterschiedlich auswirken.
Wie kann die Integration eines Kinds mit Epilepsie in die Schule verbessert werden? Erläuterungen und Ratschläge von Frau Dr. Claudia Poloni, Leitende Ärztin in der Abteilung Pädiatrie des Spitals Sitten:

Was ist Epilepsie?

Epilepsie – man könnte auch von «Epilepsien» sprechen, da die Manifestationen unterschiedlich sein können – ist eine chronische und gleichzeitig intermittierende Krankheit: am Ursprung der epileptischen Anfälle steht das zentrale Nervensystem (das Gehirn). Im Gegensatz zur öffentlichen Wahrnehmung existieren mehrere Formen von Epilepsie; je nach Typ sind unterschiedliche Anfälle zu beobachten. Während der Anfälle kommt es bei Gruppen von Neuronen (fokale Anfälle) oder bei sehr vielen Neuronen (generalisierte Anfälle) zu gleichzeitigen elektrischen Entladungen (Kurzschluss). Dadurch geraten gewisse Gehirnfunktionen (fokale Anfälle) oder die meisten dieser Funktionen (generalisierte Anfälle) ausser Kontrolle.

Wie sehen die Folgen dieser Krankheit aus?

Dre Claudia Poloni
Frau Dr. Claudia Poloni,
Leitende Ärztin in der Abteilung Pädiatrie des Spitals Sitten

Die epileptischen Anfälle sind zwar oft sehr eindrücklich, im Allgemeinen aber nicht gefährlich. Meistens stellen sie für das Kind kein lebensbedrohliches Risiko dar.

Allerdings befindet sich das Gehirn des Kinds in voller Aufbau- und Entwicklungsphase. Deshalb ist eine Überwachung sehr wichtig, damit eine allfällige kognitive Auswirkung ermittelt werden kann. Epilepsie kann in Verbindung stehen mit einem erhöhten Risiko für ein Aufmerksamkeitsdefizit, für eine kurzfristige Gedächtnisstörung und manchmal auch für andere kognitive Störungen wie schulischer Leistungsabfall, Lernstörungen, usw.

Ausserdem muss dem emotionalen Aspekt, der mit dieser Krankheit in Verbindung steht, Aufmerksamkeit gewidmet werden: ein Kind kann unter Verspottung oder kränkenden Bemerkungen leiden, was schwer zu verarbeiten sein kann. Es kann sich isoliert, ängstlich oder deprimiert fühlen.

Beim Jugendlichen kommen andere Aspekte hinzu. Die Identitätsfrage und der Drang, sich der Autorität der Eltern zu entziehen, können noch schwerer zu bewältigen sein, wenn eine Krankheit vorliegt: an die Krankheit anzupassende Zukunftsperspektiven, Autonomie, Loslösung von den Eltern, usw.

Auch bei den Eltern kann sich erhöhter Stress bemerkbar machen. Während der Schule wissen die Eltern über längere Zeit nicht, was das Kind tut und welchen Gefahren es insbesondere bei einem Anfall ausgesetzt ist.

Welche Formen von Anfällen kommen bei Kindern häufig vor?

  • Absencen: das Kind unterbricht kurz seine Tätigkeit. Es hört und sieht nicht, was in seiner Umgebung passiert. Es kann während des Lesens kurz anhalten und danach weiterlesen oder aufhören.
  • Myoklonischer Anfall: ist gekennzeichnet durch einzelne oder wiederholte Zuckungen.
  • Tonisch-klonischer Anfall: diese Form von Anfällen wird häufig beschrieben: das Kind verliert das Bewusstsein und stürzt mit versteiftem Körper. Anschliessend kommt es zu Zuckungen in Armen und/oder Beinen (Zittern oder Spasmen).
  • Atonischer Anfall: das Kind stürzt plötzlich.
  • Tonischer Anfall: der Körper des Kinds versteift sich.
  • Klonischer Anfall: das Kind hat rhythmische Spasmen.

Was ist bei einem Anfall zu tun?

  • Ruhig bleiben.
  • Das Kind aus der Gefahrenzone transportieren und/oder vor Gegenständen schützen, an denen sich das Kind am Kopf verletzen könnte (Tische, Stühle, verschiedene Gegenstände)
  • Wenn möglich, die Kleider öffnen, welche den Hals des Kinds einschnüren könnten.
  • Auf die Zeit achten. Die meisten Anfälle sind relativ kurz. Wenn die Krämpfe länger als 3 Minuten dauern, unverzüglich die Notfallnummer (144) anrufen.

Was soll man nicht tun?

  • In Panik geraten.
  • Versuchen, die Bewegungen einzuschränken.
  • Einen Gegenstand in den Mund schieben oder die Zunge festhalten. Die Volkslegende, welche besagt, dass der Epileptiker seine Zunge verschluckt, ist falsch. Wenn Sie Ihre Finger in den Mund des Epileptikers schieben, könnten Sie gebissen werden, und wenn Sie einen Gegenstand in den Mund des Kinds schieben, könnten seine Zähne brechen.

Was ist verboten?

Ein Kind mit Epilepsie kann ein ganz normales Leben führen: zur Schule gehen, mit Kameraden spielen, Sport betreiben, usw. Allerdings sind gewisse Aktivitäten ohne die aufmerksame Anwesenheit eines Erwachsenen zu vermeiden:

  • Schwimmbad: es wird empfohlen, dass sich ein Erwachsener mit dem Kind im Wasser befindet. Tauchen ist streng verboten.
  • Auf Bäume klettern: bei einem epileptischen Anfall kann ein Sturz nicht verhindert werden.

Wie kann der Schulalltag des Kinds verbessert werden?

Der Austausch zwischen Eltern, Lehrperson und/oder Gesundheitsfachperson ist für den guten Verlauf des Schulalltags des Kinds entscheidend. Er ermöglicht es den Lehrpersonen, wachsamer zu sein und sich bei einem Anfall korrekt zu verhalten. Die Kommunikation hilft, den mit der Krankheit verbundenen Stress sowohl beim Kind als auch bei den Eltern zu reduzieren. Wenn zwischen Eltern und Schule (und Arzt) eine Koordination besteht, ist es für die Eltern einfacher, zu vertrauen und das Kind in die Schule gehen zu lassen.

Ratschläge zur Verbesserung des Schulalltags des Kinds:

  • Die Lehrpersonen auf die möglichen Schwierigkeiten des Kinds aufmerksam machen.
  • Die Lehrperson über die Form/en der Anfälle des Kinds, über das richtige Verhalten und die verschiedenen Gefahren, denen das Kind ausgesetzt sein könnte, informieren.
  • Mit dem Einverständnis der Eltern kann in der Schule ein Notfallmedikament verabreicht werden.
  • Die Eltern bei einem ungewöhnlichen Verhalten des Kinds oder bei einem Leistungsabfall in der Schule informieren.
  • Mit dem Einverständnis der Eltern und des Kinds mit den übrigen Kindern über die Krankheit sprechen, was die Integration des Kinds erleichtern kann (Isolierung, Verspottung, usw. verhindern). 

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Über den Autor/die Autorin

Malika Storelli

Collaboratrice spécialisée en communication

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