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Gezieltere und schnellere Laboranalysen dank Robotertechnik

Er hat keinen Namen, doch er ist seit Kurzem der ganze Stolz des Labors für klinische Chemie des Zentralinstituts der Spitäler in Sitten: der Roboter. Dieser bildet das Herzstück der neuen Laboranlage, welche pro Woche bis zu 10’000 Proben verarbeiten kann. Die auf Algorithmen und künstlicher Intelligenz beruhenden Abläufe führen zu mehr Effizienz, Wirtschaftlichkeit und Qualität.

Die kleine Türe des grossen Kühlschranks öffnet sich und ein Wägelchen mit mehreren Teströhrchen fährt heraus. Der Gelenkarm des Roboters pickt ein Röhrchen heraus, kontrolliert es und gibt es an das Analysegerät weiter. Dieser Vorgang wiederholt sich täglich hunderte, wenn nicht sogar tausende Male im Labor des Zentralinstituts der Spitäler in Sitten.

Die hochmoderne rund 1.5 Millionen Franken teure Anlage wurde in etwas mehr als vier Monaten aufgebaut, während daneben der 24-Stunden-Betrieb des Labors weitergehen musste.

Dr. PD Michel F. Rossier
Leiter Labor Klinische Chemie und Toxikologie Zentalinstitut der Spitäler

Die richtigen Analysen zur richtigen Zeit

«Viele Gründe sprechen für eine solche Anlage», sagt PD Dr. Michel F. Rossier, Leiter der Abteilung klinische Chemie & Toxikologie sowie der Labors des Zentralinstituts der Spitäler. «Vor allem die Effizienz und Wirtschaftlichkeit. Dank der elektronischen Auftragserteilung kann die Anlage die Analysen genau dann ausführen, wenn sie benötigt werden.»

Bisher mussten die Ärzte ein Formular ausfüllen, um Laboranalysen in Auftrag zu geben. «Aufgrund des Aufwands bestand die Tendenz, eine grosse Anzahl Analysen auf einmal in Auftrag zu geben, was vielfach weder nützlich noch wirtschaftlich war.» Neu kann der Arzt zuerst nur jene Analysen machen lassen, die in einem ersten Schritt wirklich notwendig sind. Falls er im Anschluss weitere Analysen benötigt, kommt die ganze Magie der neuen Anlage zum Tragen: Per Mausklick kann der Arzt nämlich den Roboter einfach online anweisen, das Proberöhrchen, welches eine Woche lang gekühlt aufbewahrt wird, erneut hervorzuholen
und Zusatzanalysen durchzuführen. «Er kann die Proben seiner Patienten quasi wie mit einer TV-Fernbedienung steuern», erklärt Dr. Rossier.

Der Roboter transportiert die Probe in Windeseile zum richtigen Analysegerät und sorgt dafür, dass diese danach wieder den Weg zum Kühlschrank findet. Zusatzanalysen sind somit eine Sache von wenigen Minuten.

Im Einklang mit der steigenden Nachfrage

«Mit diesem System lassen sich die Laboranalysen in mehrere Schritte unterteilen, abgestimmt auf die diagnostische Vorgehensweise des Arztes», hebt Dr. Rossier die Vorzüge der Anlage hervor. «Zuerst werden die wichtigsten Untersuchungen durchgeführt. Wenn nötig, sind auf Grundlage der erhaltenen Erstresultate weitere Analysen möglich. Dies entspricht der medizinischen Logik.» Das System der elektronischen Auftragsbearbeitung wartet zudem mit mehreren intelligenten Funktionen auf: «Wenn zum Beispiel für einen Patienten eine bestimmte Analyse innerhalb eines Monats schon einmal gemacht wurde, fragt das System den Arzt, ob er diese wirklich noch einmal in Auftrag geben will. In einigen Fällen kann dies durchaus gewollt sein, in anderen vielleicht nicht», so Dr. Rossier. Somit werden unnötige Analysen und Kosten vermieden.

Nicht zuletzt ist diese hochproduktive Anlage eine Reaktion auf die steigende Nachfrage, die sich mit der künftigen Erweiterung des Spitals Sitten abzeichnet. Für das Laborpersonal bedeutet sie schon heute eine Arbeitserleichterung. «Man muss nicht mehr manuell überprüfen, ob neue Anfragen für Zusatzanalysen eingegangen sind. Ebenso entfällt der Gang zum Kühlschrank und zum Analysegerät. Unsere biomedizinischen Analytikerinnen und Analytiker können sich somit voll und ganz auf die Auswertung und Überprüfung der Resultate konzentrieren, was ein grosser Mehrwert für das gesamte Labor bedeutet.»

Video vom Roboter

Algorithmen und künstliche Intelligenz

Bei der Auswertung kommt den Mitarbeitenden die Software «Valab» zu Hilfe. Diese erkennt dank vorgegebener Algorithmen und künstlicher Intelligenz, wenn ein Resultat deutlich von der Norm abweicht. In rund 70% der Fälle liegen die Ergebnisse innerhalb der Norm und werden automatisch freigegeben. «Die restlichen 30% schauen sich unsere Mitarbeitenden näher an. Die Teil-Automatisierung der Auswertung ist wichtig, weil es ansonsten aufgrund der vorangehenden beschleunigten Analysen zu einem Engpass im ganzen Prozess kommen würde.» Valab ermöglicht zudem, komplexe Fälle, die Anomalien aufweisen, herauszufiltern. Diese ergeben sich oft bei Interferenzen durch Medikamente oder bei Vorhandensein von Antikörpern.

Nicht nur Quantität, sondern auch Qualität

«Bei Automation denkt man immer zuerst an den Zeitgewinn. Uns geht es aber auch um die Qualitätssteigerung.» In der modernen Medizin spielen Laborresultate eine zentrale Rolle. «Zwei von drei medizinischen Entscheidungen beruhen auf Laborwerten», gibt der Fachmann zu bedenken. Dabei beträgt der Anteil der Laborkosten an den gesamkontakt ten Gesundheitskosten nur 2 bis 3%. «Das ist wenig, aber wir können uns immer noch verbessern», fügt Dr. Rossier mit einem Lächeln an. Mehr Quantität und Qualität… den Roboter interessiert das wenig. Er verrichtet einfach zuverlässig seine Arbeit und das ist gut so.

Mehr Infos: Klinische Chemie

Über den Autor/die Autorin

Joakim Faiss

Journaliste - Collaborateur spécialisé en communication

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