Florence Nightingale, Pionierin der modernen Krankenpflege, Händehygiene und grafischen Darstellung von Statistiken, wäre diesen Mai 200-jährig geworden – also mitten in der COVID-19-Pandemie, während der die wichtigen Errungenschaften der «Dame mit der Lampe» besonders deutlich wurden.
Als Florence Nightingale im Oktober 1854 zusammen mit 38 Krankenschwestern das Schiff in Richtung Türkei besteigt, ist sie 34-jährig. Wie hätte sie wohl reagiert, wenn man ihr damals erzählt hätte, dass ihre Arbeit auch 200 Jahre nach ihrem Geburtstag, mitten in einer Pandemiephase, immer noch grosse Bedeutung haben wird? Doch sie hatte damals andere Sorgen: Ab 1853 standen sich im Krimkrieg Russland und eine Koalition bestehend aus dem Osmanischen Reich, Frankreich, dem Königreich Sardinien und Grossbritannien gegenüber. Nightingale übernahm die Leitung einer Gruppe von Krankenschwestern, die sich im britischen Militärkrankenhaus von Scutari (Türkei) um die Kriegsverletzten kümmerte.
Schon tot, bevor sie die Front erreichten
Die britischen Truppen verzeichneten wegen Cholera, Dysenterie und anderen Erkrankungen bereits zahlreiche Opfer, bevor sie überhaupt die Front erreichten. Als Florence Nightingale davon erfährt, plant sie mit Unterstützung der Regierung eine Hilfsaktion mit mehreren Krankenschwestern – nicht ohne Nebengeräusche, denn die Öffentlichkeit konnte sich nur schwer vorstellen, die «Ladies» der harten Realität eines Militärspitals und den rauen Sitten der Soldaten auszusetzen.
Im November 1854 kommen die Frauen im britischen Camp in der Türkei an. Hier finden sie überall verletzte Soldaten vor, die aufgrund des überforderten medizinischen Personals und der Gleichgültigkeit der Offiziere dahinsiechen. Medikamente sind Mangelware und die hygienischen Zustände ein Alptraum. Die Patienten liegen in ihren eigenen Exkrementen und sind umgeben von Nagetieren und Insekten, was oft zu massiven und tödlichen Infektionen führt.
Reinigung der Räume und Händehygiene
Florence Nightingale macht sich sogleich ans Werk. Mit ihrer Equipe und der Hilfe von weniger schwer verletzten Patienten putzt sie alle Räume von oben bis unten und legt Hygieneregeln fest, um die Infektionen in den Griff zu kriegen. Sie beharrt auf regelmässigem Händewaschen, sterilen Oberflächen und gutem Lüften – alles Punkte, die aufgrund der momentanen COVID-19-Pandemie aktueller sind denn je.
Die «Dame mit der Lampe» wacht über die Kranken
Der Übername «Dame mit der Lampe» (Lady with the Lamp) rührt daher, dass Florence Nightingale in der Nacht im Schein einer Petroleumlampe über die Patienten wacht und somit auch als eine Pionierin der Krankenwache gilt. Zudem schreibt sie den Verwandten der Patienten Briefe, um sie über deren Gesundheitszustand zu informieren. Man muss wissen, dass die Armee damals die Angehörigen nicht immer informierte, wenn ein Soldat gestorben war.
Die getroffenen Massnahmen zeigen bald ihre Wirkung: Die Sterblichkeitsrate der Soldaten geht um zwei Drittel zurück. Florence Nightingale erkennt, dass die Sterblichkeit eine Folge schlechter Ernährung, fehlender Reserven, schlechter Durchlüftung und Überanstrengung der Soldaten ist. Die Statistiken, die sie sich nach ihrer Rückkehr in England besorgt, geben ihr recht: Die meisten hospitalisierten Soldaten sterben nicht an den Kriegsfolgen, sondern an den schlechten Lebensbedingungen.
Auch heute noch allgegenwärtig
Diese Erkenntnis beeinflusst ihre weitere Karriere. Sie wird zu einer glühenden Verfechterin guter hygienischer Bedingungen. Damit trägt sie auch zur Verringerung der Armee-Todesfälle in Friedenszeiten bei. Besonders die Spitalhygiene liegt ihr am Herzen. Sie sorgt dafür, dass Bettwäsche und Handtücher regelmässig gewaschen werden und weist auf die Wichtigkeit des Händewaschens mit Wasser und Seife hin – heute für uns eine Selbstverständlichkeit, damals jedoch nicht. Die Hygieneregeln, die sie damals propagierte, sind auch heute noch allgegenwärtig.
Florence Nightingale: wie sie die Pflege zum ehrenwerten Beruf machte
Florence Nightingale wird 1820 in Florenz in eine wohlhabende britische Familie hineingeboren. Schon früh spürt sie ihre Berufung, Menschen in Not zu pflegen und zu helfen. Ihre Familie ist davon gar nicht begeistert. Der Pflegeberuf genoss zu jener Zeit kein hohes Ansehen und war für ein Mädchen aus einer noblen Familie nicht standesgemäss.
Gegen den Willen ihrer Eltern absolviert Florence 1844 ein Praktikum als Pflegerin in der Kaiserswerther Diakonie (Düsseldorf), wo sie das notwendige Rüstzeug für ihre spätere Karriere erhält. Als sie 1856 vom Krimkrieg zurückkehrt, wird sie von Königin Victoria und der britischen Regierung als Heldin empfangen. 1860 gründet sie die Pflegeschule am St Thomas’ Hospital in London. Sie wird zu einer öffentlich angesehenen Persönlichkeit und inspiriert viele junge Mädchen. Sogar Frauen aus oberen sozialen Schichten wollen nun plötzlich ihrem Beispiel folgen und Krankenpflegerin werden. Florence Nightingale hat aus der Pflege einen ehrenwerten Beruf gemacht.
Aufgrund einer schweren chronischen Erkrankung, die mit starken Fieberschüben einhergeht, zieht sie sich ab 1857 immer mehr zurück – mit nicht einmal 40 Jahren. Doch auch von zuhause aus arbeitet sie unermüdlich weiter, schreibt Pflegelehrbücher. Ab 1896 ist sie fast durchgehend ans Bett gebunden. Sie stirbt 1910 im Alter von 90 Jahren.
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