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Klimawandel: Tropenkrankheiten bald auch in der Schweiz?

Das 21. Jahrhundert hat es uns unmissverständlich ins Bewusstsein gerufen: Unsere Handlungen haben nicht nur Auswirkungen auf unsere unmittelbare Umgebung, sondern auf den gesamten Planeten.

Erläuterungen von Dr. Stéphane Emonet, Chefarzt, Abteilung Infektionskrankheiten im Spital Wallis, Zentralinstitut der Spitäler :

Dr. Stéphane Emonet,
Chefarzt, Abteilung Infektionskrankheiten, Zentralinstitut der Spitäler

Wir leben in einer Zeit, in der die einfach gewordene Mobilität von Mensch und Handelsgütern die Ausbreitung von Krankheitserregern und möglichen Überträgern begünstigt. Die Weltbevölkerung nimmt zu, die Temperaturen steigen und es kommt zu Verschiebungen bei der Nahrungs- und Wasserverfügbarkeit, was zu Konflikten und Völkerwanderungen führt. Dies alles hat auch Auswirkungen auf die Infektionskrankheiten. Alles hängt miteinander zusammen: Epidemien entstehen oft dort, wo die Krankheitserreger leichtes Spiel haben, z.B. in Städten oder Flüchtlingslagern, wo viele durch Nahrungs- und Trinkwassermangel geschwächte Menschen auf engstem Raum sind. Hinzu kommt, dass die Krankheitserreger aufgrund der zahlreichen Transporte auf dem Wasser- und Luftweg weite Strecken zurücklegen können. Stimmt das Mikroklima, können sie sich an beliebigen Orten vermehren.

Auch in Europa Tropenkrankheiten möglich

Seit einigen Jahren können Tropenkrankheiten auch in Europa auftreten. Die Schweiz ist da keine Ausnahme. Die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus) hat sich an das europäische Klima angepasst und wurde 2003 erstmals in der Schweiz nachgewiesen. Sie ist Überträgerin des Dengue-Fiebers (meist gutartig, kann aber zu gefährlichen Blutungen führen – besonders verbreitet in Asien und Südamerika), des Chikungunya-Fiebers (oft mit Gelenkschmerzen verbunden – besonders verbreitet rund um den Indischen Ozean) und des Zika-Virus (führt bei ungeborenen Kindern zu Mikrozephalie – Epidemie in Brasilien im Jahr 2015). In Frankreich und Italien kam es schon zu kleineren Dengue- und Chikungunya-Epidemien.

Anopheles-Mücken, welche Malaria übertragen, sind etwas kälteempfindlicher als Asiatische Tigermücken. Malaria beschränkt sich im Moment auf die Tropen. Allerdings trat die auch «Sumpffieber» genannte Malaria im 19. Jahrhundert, bevor der Lauf der Rhone korrigiert wurde, schon einmal im Wallis auf. 2018 kam es ausserdem in Griechenland zu einer kleinen lokalen Epidemie.

«Technische» Massnahmen reichen nicht aus

Das rasante Weltwirtschaftswachstum der letzten Jahrzehnte hat zu einem Teufelskreis geführt, in dem der Mensch einen derartigen Einfluss auf die Umwelt nimmt, dass diese ihm immer feindlicher wird (Klimaerwärmung, Austrocknung natürlicher Ressourcen, Versauerung der Meere, Biodiversitätsschwund). Der Klimawandel – verbunden mit einer fortschreitenden Verstädterung (viele Menschen auf engem Raum) und der explosionsartigen Zunahme des internationalen Verkehrs – begünstigt die Ausbreitung von Infektionskrankheiten bis nach Europa. Auch die Schweiz ist davon betroffen.

Dem Risiko von tropischen Epidemien in unseren Breitengraden muss durch eine verstärkte epidemiologische Überwachung und eine national und europaweit koordinierte Prävention begegnet werden. Doch rein «wissenschaftliche» und «technische» Massnahmen reichen hier nicht aus. Man muss die Ursachen bekämpfen, soziale Ungleichgewichte wieder ins Lot bringen und die negativen Auswirkungen des Menschen auf die Umwelt eindämmen. Nur so kann man die Ausbreitung tropischer Infektionskrankheiten von Süd nach Nord bekämpfen.

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