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«Das Leben bis zum Lebensende spüren»

Scheinbar aus dem Nichts, wie spontane Besucher, kommen die Clowns des Vereins «Clown To Care» zu den Patientinnen und Patienten der Palliativstation. Sanft und einfühlsam gehen sie auf ihr Gegenüber ein.

Ein Clown klopft an die Tür, öffnet diese halb und fragt, ob er eintreten darf… wir sind auf der Palliativstation des Spital Wallis in Martinach, wo Nathalie Grivel, Gründerin des Vereins «Clown To Care», und eine Kollegin als Clowns verkleidet die Patienten besuchen. Nach einem kurzen Moment der Überraschung heissen die Patienten die unerwarteten Besucher, die in diesem Umfeld auf den ersten Blick wie Fremdkörper wirken, meist gerne willkommen.

«Der Überraschungseffekt ist wichtig», erklärt Nathalie Grivel. «Wenn der Patient weiss, dass wir kommen, verläuft der Austausch ganz anders. Unsere Clowns haben sich ihre Sporen im Improvisationstheater abverdient. Auch im Spital ist Improvisation gefragt. Wir gehen durch die Gänge, klopfen an eine Tür und lassen den Dingen ihren Lauf.» Die Clowns sind immer zu zweit unterwegs und kommen nur ins Zimmer herein, wenn der Patient einverstanden ist. «Im Allgemeinen werden wir sehr wohlwollend empfangen, besonders im Wallis.»

Ein bisschen wie Ping-Pong
Was nun folgt, ist ein einfühlsamer Austausch zwischen dem Patienten und den Clowns. «Es ist ein bisschen wie Ping-Pong», veranschaulicht Nathalie Grivel den Ablauf. «Wir greifen die Reaktion des Patienten auf und reagieren in unserer Rolle als Clown zurück. Es ist jedes Mal anders. Manchmal bleiben wir nur kurz, denn man darf die Müdigkeit der Palliativpatienten nicht unterschätzen. Dann machen wir nur ein bisschen Musik auf einer Spieldose oder einem Xylophon oder singen ein kurzes Lied. Manchmal aber öffnen sich die Patienten uns gegenüber und erzählen von ihrem Lebensweg. Das bauen wir dann in unsere Fantasiewelt ein und geben es auf unsere Art und Weise den Patienten und Angehörigen zurück.»

Ein flüchtiger Besucher, wie eine Seifenblase
Die Clowns, von denen wir hier reden, darf man sich nicht wie Zirkusclowns vorstellen. Es geht nicht darum, das Gegenüber um jeden Preis zum Lachen zu bringen. Alle Spitalclowns haben schon im Pflegebereich gearbeitet. Dies ist eine Bedingung, um für den Verein aktiv zu sein. «Der Clown ist nur ein flüchtiger Besucher. So schnell, wie er gekommen ist, ist er auch wieder weg. Er unterbricht für einen kurzen Moment den Alltag und verschwindet dann wie eine Seifenblase. Man redet gerne mit ihm, wie mit einem Unbekannten, den man auf einer Reise trifft. Der Clown ist ein bisschen naiv, aber sehr gutmütig. In dieser Rolle kann er auch auf Themen eingehen, die in einem normalen Gespräch vielleicht vermieden werden. Er hat keine Angst, sich auch mal zu irren… dahinter verbirgt sich jedoch stets ein Mensch, der sich der Besonderheit der Situation voll und ganz bewusst ist.»

Die Präsenz von Clowns auf einer Palliativstation mag paradox erscheinen, doch negative Reaktionen bleiben meist aus. Wenn es sie doch mal gibt, dann stammen sie vielfach nicht von den Patienten selbst, sondern von Menschen aus ihrem Umfeld, die finden, «dass man nicht hier ist, um zu lachen.» «Die Palliativpatienten wissen, dass das Leben vergänglich ist», sagt Nathalie Grivel. «Auch wenn man es nicht erwarten würde, handelt es sich oft um extrem lebendige Menschen mit einer entwaffnenden Ehrlichkeit. Menschen, die im Hier und Jetzt leben.» Der Clown tritt diesen Menschen mit Mitgefühl und Aufgeschlossenheit entgegen «und nicht mit der Absicht, sie um jeden Preis zum Lachen zu bringen.»

Für die Gründerin des Vereins sind die Spitalclowns eine Art Seelsorger im weiteren Sinne. «Wir hören aktiv zu und begegnen unserem Gegenüber in seiner ganzen Menschlichkeit, beflügelt von unserer Fantasie. Bei unseren Besuchen spüren wir nicht den Tod, sondern das Leben. Was sich hier abspielt, ist ein sanftes und einfühlsames Geben und Nehmen.»

Die Lebensqualität verbessern
Der Verein «Clown To Care» wurde im September 2014 auf Initiative von Nathalie Grivel – Pflegefachfrau, Erwachsenenbildnerin und professionelle Clownin – gegründet. Ziel ist es, die Lebensqualität auf der Palliativstation für Patienten und Angehörige zu verbessern. Dies geschieht mit regelmässigen punktuellen Clownbesuchen.

Momentan verfügt der Verein über 6 speziell ausgebildete Clowns, die erwachsenen Palliativpatienten rund 1 Mal pro Monat etwas Unbeschwertheit in ihr Leben bringen. Die Clowns kommen immer zu zweit und treffen sich vorher und nachher mit den Pflegeteams im gemeinsamen Bestreben nach einer möglichst guten Patientenbetreuung. Die Clowns sind gut geschulte Profis mit einer soliden künstlerischen Erfahrung. Zudem hatten sie bereits vor ihrer Tätigkeit als Clown Kontakt mit der Welt der Palliativpflege.

Mehr Informationen zum Verein und zu den Spendemöglichkeiten: www.clowntocare.ch

Ein paar Zahlen
Ein paar Zahlen zum Verein «Clown To Care» aus dem Jahr 2016:

  • 52 Clowneinsätze
  • 75 Lachanfälle
  • 483 überraschte Patienten
  • 3857 Mal leise gelächelt
  • 12364 Schritte, die die Clowns auf den Palliativstationen in den Kantonen Wallis und Waadt zurückgelegt haben

Positive Auswirkungen
Nathalie Grivel untersuchte im Rahmen ihrer Universitäts-Diplomarbeit die Auswirkungen von Clowns im Bereich der Palliativpflege für Erwachsene. «Dabei zeigten sich eindeutig positive Effekte auf das Wohlbefinden der Patienten», erklärt sie. «Angstzustände und Depressionen, die in dieser leidvollen Phase des Lebens oft vorkommen, gehen zurück. Die Clowns helfen den Patienten, Abstand von ihrer Krankheit zu nehmen. Sie geben ihnen für einen Moment ihr Lachen zurück und lassen sie Freude empfinden.»

Über den Autor/die Autorin

Jessica Salamin

Collaboratrice communication - Spécialisée médias sociaux

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